Freitag, 16. Dezember 2011

Eine historische Taktik der Linken: Nicht die Ideologie ist schuld, sondern der Vorgänger

Ion Mihai Pacepa über Chruschtschow, Breschnew, Andropow, Ceausescu, Gorbatschow, Jelzin, Putin, Occupy Wall Street und die immer wieder neu aufgelegte Platte des Marxismus mit menschlichem Antlitz.

Termini technici
political necrophagy: politische Nekrophagie (neomarxistische Strategie der Vergangenheitsbewältigung)

(Generalleutnant Ion Mihai Pacepa ist der höchste Vertreter, der jemals aus dem Ostblock übergelaufen ist.

Zwischen 1957 und 1960 diente er als Chef der rumänischen Geheimdienststation in der BRD, zwischen 1972 und 1978 war er stellvertretender Chef des Auslandsgeheimdienstes.

Pacepa setzte sich im Juli 1978 im Zuge eines Aufenthaltes in der US-amerikanischen Botschaft in Bonn ab. Dorthin war er von Ceausescu mit einer Nachricht für Bundeskanzler Helmut Schmidt geschickt worden. Geheim wurde er in einer US-Militärmaschine auf die Andrews Air Force Base in der Nähe von Washington, D.C. ausgeflogen. Im September 1978 wurde Pacepa in Rumänien zum Tode verurteilt.

Ceausescu setzte eine Belohnung in Höhe von zwei Millionen Dollar auf seinen Kopf aus. Auch Yassir Arafat, über den Pacepa berichtet hatte, er sei homosexuell, und Muammar al-Gaddafi boten eine Million Dollar.

1989 wurde der rumänische Tyrann Nicolae Ceausescu nach einem Prozeß hingerichtet, dessen Haupt-Anklagepunkte Pacepas Buch "Red Horizons" entnommen wurden, das anschließend in 27 Ländern wiederveröffentlicht wurde.)


Ich habe diese Strategie in der Sowjetunion erlebt, und jetzt sehe ich sie bei Occupy Wall Street. Sie schlägt immer fehl.

Die chaotische Occupy Wall Street Bewegung ist das Ergebnis der chaotischen Bemühungen der Demokratischen Partei, Bösewichte für ihre chaotische Wirtschaftspolitik zu finden, die 14 Millionen Amerikaner ihre Arbeit verlieren ließ. Die US-Verschuldung hat jetzt 15.000.000.000.000 Dollar erreicht, ein noch nie erreichtes Ausmaß, höher als die Gesamtverschuldung aller 41 Präsidenten von George Washington bis George H.W. Bush zusammen. Das bedeutet eine Schuld von 35.835 Dollar für jeden amerikanischen Haushalt. Das BIP fiel von einem Wachstum von 4,5% im ersten Quartal 2011 auf 1,3% im zweiten Quartal 2011.

Anstatt sich am Riemen zu reißen und die Produktion -- nicht die Umverteilung -- von Reichtum zu förden, machten die Demokratischen Führer im Weißen Haus und US-Senat den ehemaligen Präsidenten George W. Bush für die aktuelle wirtschaftliche Katastrophe verantwortlich. Kein Amerikaner hat es so richtig geglaubt. Also machten die Demokraten den japanischen Tsunami verantwortlich. Auch Pech. Den arabischen Frühling und die europäische Wirtschafts-Krise verantwortlich zu machen, führte auch nicht zum gewünschten Ergebnis. Jetzt machen die Demokraten Wall Street -- was auch immer das heißt -- und die Reichen verantwortlich. Sie sind das eigentliche Übel. Sie saugen den Menschen das Blut aus und zerstören Amerika.

Im Allerheiligsten des ehemaligen sowjetischen Imperiums, dem ich einst angehörte, wurde die Suche nach einem Sündenbock für die Fehler des Führers eines Landes als "politische Nekrophagie" bezeichnet. Obwohl der Marxismus verkündet, daß "das Volk" die entscheidende Rolle in der Geschichte spielen muß, glaubten die Marxisten, die auf dem Kreml-Thron saßen, daß nur der Führer zählt. Aus dem Munde von Chruschtschow selbst konnte ich immer und immer wieder hören: "Ändere das Bild des Führers in der Öffentlichkeit, und du änderst die Geschichte."

Am 26. Februar 1956 erblickte die geheime "Wissenschaft" der politischen Nekrophagie im Kreml das Licht der Welt. An diesem Tag enthüllte Chruschtschow in einer vierstündigen "Geheimrede" "Stalins Verbrechen" -- um ihre Bedeutung zu betonen um Mitternacht unter einer geheimnisschwangeren Wolke während des öffentlichkeitswirksamen XX. Kongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.

New York Times Journalist Harry Schwartz schrieb: "Chruschtschow öffnete die Türen und Fenster einer versteinerten Struktur. Er ließ frische Luft und frische Ideen einströmen, die Änderungen hervorriefen, die, wie, wie sich bereits gezeigt hat, irreversibel und grundlegend sind."

In Wirklichkeit war Chruschtschows "Geheimrede" nur eine Show, die von der Brutalität des sowjetischen Marxismus und von seinem eigenen Bild als "Schlächter der Ukraine" ablenken sollte. Nicht der Marxismus war Schuld, daß in der Sowjetunion 20 Millionen Menschen barbarisch getötet wurden, um den Marxismus zur einzigen Religion zu machen -- es war alles Stalins Schuld. Nicht der Marxismus war Schuld, daß in den Jahren, als Chruschtschow der Vizekönig des Kremls in Kiew war, Hunderttausende von Ukrainern hingerichtet wurden -- auch das war alles Stalins Schuld.

Ein paar Tage nach Chruschtschows "Geheimrede" brachte sein brandneuer Geheimdienstchef, General Aleksandr Sakharovsky -- der ehemalige Chefberater des sowjetischen Geheimdienstes für Rumänien -- den Text meinem rumänischen Auslandsnachrichtendienst, dem DIE (Departamentul de Informatii Externe). "Dies ist das geheimste Dokument, das ich jemals in meiner Hand gehalten habe", erzählte uns Sakharovsky -- mit einem Augenzwinkern.

Er bat uns, die "Geheimrede" an den israelischen Mossad weiterzuleiten, der gerade Diskussionen über ein geheimes Tauschgeschäft mit dem DIE begonnen hatte, um rumänischen Juden im Tausch gegen amerikanische Dollars die Auswanderung nach Israel zu ermöglichen. Das DIE spielte die Geheimrede gehorsam dem Mossad zu, der zu dieser Zeit eng mit der amerikanischen CIA zusammenarbeitete.

Im Juni 1956 wurde Chruschtschows "Geheimrede" von der New York Times veröffentlicht, die einräumte, sie von der CIA bekommen zu haben. Darüber, wie diese Rede zur New York Times gelangte, gibt es viele öffentliche Versionen -- der Mossad ist für die Verschleierung seiner Aktivitäten bekannt. Wie auch immer, Sakharovsky dankte dem DIE ein paar Monate später dafür, ihm geholfen zu haben, Chruschtschows neuen "Kommunismus mit menschlichem Antlitz" der Welt vorzustellen.

Bald darauf wurde Chruschtschows "Geheimrede" im gesamten Ostblock in allen Organisationen und Medien der Kommunistischen Partei diskutiert. Der Marxismus war rehabilitiert.

Rumäniens erster kommunistischer Herrscher, Gheorghe Gheorghiu-Dej, starb nur wenige Monate nachdem Chruschtschow gestürzt wurde, und die politische Nekrophagie erreichte nun auch Rumänien. Wie auf dem Balkan nicht anders zu erwarten, kam Rumäniens politische Nekrophagie in einer herrlich byzantinischen Färbung daher. "Wir brauchen keine Idole", erklärte Nicolae Ceausescu, der neue Herrscher, dem Plebs. Dann "demaskierte" Ceausescu den "beispiellosen" Personenkult seines Vorgängers, und erlaubte dem Plebs, seine Augen auf den opulenten Palast von Gheorghiu-Dej zu werfen. Es dauerte nicht lange, bis sich Ceausescu selbst zum "Laien-Gott" erklärte und rühmte, "ein Mensch wie ich wird alle 500 Jahre nur einmal geboren". Ein paar Jahre später gründete Ceausescu die erste kommunistische Dynastie, und begann abwechselnd in 21 luxuriös eingerichteten Palästen, 41 "Wohn-Villen" und 20 Jagdhütten zu residieren.

Nach Chruschtschow wurde die politische Nekrophagie im Kreml die Regel. Breschnew beschuldigte Chruschtschow, die Einheit der kommunistischen Welt zerstört zu haben. Als Gorbatschow kam, warf er Breschnew vor, die sowjetische Wirtschaft verwüstet zu haben. Gorbatschow hatte sogar einige von Breschnews Verwandten verhaften lassen -- in einem offensichtlichen Versuch, zu beweisen, daß die sowjetische Wirtschaft durch korrupte Individuen verwüstet worden war und nicht durch den Marxismus. Jelzin beschuldigte Gorbatschows Perestroika, das "Land in den Ruin zu führen" und dann gab Putin Jelzin die Schuld für den "Untergang der Sowjetunion, die größte Katastrophe des Jahrhunderts."

Im Jahr 2004 -- als unser Krieg im Irak auf die ersten Schwierigkeiten stieß -- schmuggelte die Demokratische Partei die politische Nekrophagie des Kremls in die Vereinigten Staaten. Obwohl der Krieg von 296 Mitgliedern des Repräsentantenhauses und 76 Senatoren autorisiert war, bezeichneten ihn die Führer der Demokratischen Partei als Bushs Krieg. "Bush hat gelogen, Menschen sind gestorben" ("Bush lied, people died") wurde zum Slogan der Demokratischen Partei, deren Führer plötzlich vergessen hatten, daß auch sie für diesen Krieg gestimmt hatten.

Die Fußmatte am Eingang zum Büro des Bundesvorsitzenden der Demokratischen Partei, Terry McAuliffe, stellte den US-Präsidenten dar und trug die Aufschrift "Gib Bush einen Tritt" ("Give Bush the Boot"). Der Demokratische Senator Tom Daschle, der Minderheitenführer, nannte Präsident Bush einen unglücklichen Störfall. Der pensionierte General Wesley Clark, ein ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber, der ein Führer der Demokratischen Partei mit Blick auf das Weiße Haus wurde, forderte den Kongreß auf, zu "prüfen, ob Präsident Bush ein Verbrecher war, als er einen Krieg gegen Saddam Hussein befürwortete". Im Jahr 2004 konzentrierte sich die Demokratische Nationalversammlung (Democratic National Convention) fast ausschließlich auf politische Nekrophagie. Mit Ausnahme von Senator Joe Lieberman verunglimpften alle anderen Sprecher den US-Präsidenten.

Zwei Tage nach Beendigung dieses Kongresses erklärte Teresa Heinz Kerry, die Ehefrau des demokratischen Kandidaten für das Weiße Haus, daß vier weitere Jahre der Bush-Regierung für Amerika vier weitere Jahre der Hölle bedeuten. Wie sie bin auch ich ein Einwanderer. Ich habe meine 33 Jahre in Amerika unter sechs Präsidenten verbracht -- einige besser als andere --, aber ich habe immer das Gefühl gehabt, daß ich im besten Land der Welt lebe. Und in jenem Wahljahr hatte auch die überwältigende Mehrheit der Amerikaner dieses Gefühl.

Präsident Bush wurde wiedergewählt, aber die politische Nekrophagie der Demokratischen Partei hatte das internationale Ansehen der Vereinigten Staaten so unglaublich herabgesetzt, daß die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa dem Rest der Welt bescheinigen mußte, daß die Vereinigten Staaten im November 2004 freie Wahlen hatten.

Jetzt nähern wir uns wichtigen Neuwahlen, und die Demokratische Partei greift zu einer neuen Form der politischen Nekrophagie. "Zieht eure Pantoffeln aus und steigt in eure Schuhe zum Marschieren" wurde der neue Slogan der Demokratischen Partei. Das Ergebnis: Occupy Wall Street Zeltlager.

Für Millionen von Menschen, die nach Freiheit strebten und in die Vereinigten Staaten kamen, war die amerikanische Staatsbürgerschaft der höchste Traum -- wie für mich. Nun aber ersetzt die Demokratische Partei die amerikanische Staatsbürgerschaft durch ein "Ash-Sha'b yurid isqat an-nizam" -- "das Volk will den Sturz des Regimes". "Bringt einen offenen Geist und einen Schlafsack", schrieben die Organisatoren von Occupy Wall Street auf Facebook und Twitter. "Es wird eine große Sache und es wird global."

Diese durch die politische Nekrophagie der Demokratischen Partei generierte Anarchistenbewegung hat sich in mehr als 200 Städten in den USA sowie 82 weiteren Ländern ausgebreitet.

Die politische Nekrophagie von Chruschtschow erschütterte das Bild der Sowjetunion als Arbeiter-Paradies. Die politische Nekrophagie und die Occupy Wall Street Zeltlager der Demokratischen Partei erschüttern das Bild der Vereinigten Staaten als Führer der freien Welt.

Ich könnte ein ganzes Buch über politische Nekrophagie schreiben, und vielleicht werde ich es eines Tages tun. Hier möchte ich nur sagen, daß, politische Nekrophagie -- nach meiner Erfahrung -- ein gefährliches Spiel ist. Sie verletzt den Nationalstolz der Menschen, und in der Regel wendet sie sich gegen den Verursacher.

Am 14. Oktober 1964 wurde Chruschtschow zum ersten sowjetischen Führer, der jemals entthront wurde. Das sowjetische Politbüro schätzte seine politische Nekrophagie als so unberechenbar und gefährlich ein, daß es ihn unter Hausarrest stellte -- bewacht vom KGB, für den Rest seines Lebens. Als Chruschtschow starb, verfügte Breschnew, daß sein Vorgänger den historischen Respekt des Landes gegenüber dem Kreml schwer geschädigt hatte, und daß er unwürdig wäre, an der Kreml-Mauer neben den anderen ehemaligen Führern beigesetzt zu werden. Die sowjetische Regierung weigerte sich sogar, Chruschtschows Grabstein zu bezahlen. 1972, als ich Chruschtschows Grab auf dem Friedhof von Novodevichi besuchte, gab es darauf nur einen kleinen unbedeutenden Hinweis.

Leonid Breschnew, der Chruschtschow absetzte, endete dann aber so, daß er von den Russen und vom Rest der Welt als selbstverherrlichende Karikatur gesehen wurde. Seine politische Nekrophgie und sein Personenkult beschädigten das internationale Ansehen der Sowjetunion in einem solchen Maße, daß der KGB entschied, den Kreml zu übernehmen.

Yury Andropow, der erste Offizier des KGB, der im Kreml inthronisiert wurde, begann, die Sowjetunion in ein Land umzuwandeln, in dem, hinter einer Fassade des Marxismus, die politische Polizei des Herrschers den Vorrang über das ursprüngliche Werkzeug zur Führung des Landes einnahm -- die Kommunistische Partei. Bereits todkrank, starb Andropow, bevor er seine Aufgabe erfüllen konnte.

Michail Gorbatschow, dessen Glasnost und Perestroika als ein Akt der politischen Nekrophagie geschildert wurden, die Rußlands historische Traditionen ändern sollten, endete im Exil.

Im Dezember 1989 wurde der rumänische Tyrannen Nicolae Ceausescu hingerichtet. Das außerordentliche Gericht, das ihn zum Tode verurteilte, entschied, daß seine politische Nekrophagie und sein anschließender Personenkult Rumäniens traditionellen Respekt gegenüber seinen Führern entehrt hatten, und daß er nicht einmal einen Sarg und ein Grab verdient. Ceausescus Leiche wurde deshalb in einen Beutel gepackt und in einem Fußball-Stadion in den Müll geworfen.

Die Sowjetunion und das kommunistische Rumänien waren extreme Fälle. Aber auch in den Vereinigten Staaten wird die politische Nekrophagie nicht funktionieren. Es gibt hier eine lange Tradition, die gewählten Führer zu respektieren. Während des Zweiten Weltkriegs gaben 405.399 Amerikaner ihr Leben, um den Nationalsozialismus und den Holocaust zu besiegen, aber die USA standen hinter ihrem Präsidenten. Die Vereinigten Staaten hielten während dieses Krieges Wahlen ab, aber kein Bewerber für ein Amt hatte auch nur daran gedacht, auf der Suche nach einem persönlichen Sieg die Einheit des Landes zu schädigen.

Die amerikanischen Traditionen können weder durch politische Nekrophagie noch durch demonstrierende Occupy Wall Street Mobs geändert werden.
Hier finden Sie den Originalartikel, Blame the Predecessor, Not the Ideology: A Historical Leftist Tactic.