Freitag, 27. Januar 2012

Schwere Körperverletzung durch Gewerkschaftsschläger in Washington

Arnold Ahlert über demokratische Geiselnahmen und andere Gewerkschaftskriminalität.

(Anmerkungen in Klammern)


In Longview, Washington, hat die Schlagkraft der Gewerkschaften buchstäblich ein neues Niveau erreicht. Nachdem sie die Tore niedergerissen hatten, stürmten am 8. September (2011) um etwa 4:30 Uhr Hunderte von gewerkschaftlich organisierten Arbeitern den Hafen von Longview, wo sie sechs Sicherheitsleute zwei Stunden lang "festhielten". Ihre Gewerkschaftskollegen sammelten sich im EGT-Verladeterminal, wo sie die Bremsleitungen mehrerer Waggons zerschnitten und das Korn in den Waggons auf die Gleise kippten. Im Wachhäuschen gingen die Fenster zu Bruch und ein Sicherheits-Fahrzeug wurde in einen Graben geschoben. Es gab keine Verhaftungen, obwohl der Polizeichef von Longview, Jim Duscha, erklärte, daß die Wachen als "Geiseln" festgehalten wurden. Er gab noch eine weitaus ominösere Erklärung. "Wir sind nicht überrascht", sagte er. "Viele der Demonstranten sagten uns, dies ist erst der Anfang."

Der Polizeichef ist schlecht informiert. Der Streit zwischen EGT -- eine Arbeitsgemeinschaft amerikanischer, japanischer und südkoreanischer Unternehmen -- und der in Longview ansässigen Gewerkschaft ILWU Local 21 (International Longshore and Warehouse Union), dauert schon seit über einem Jahr an. Die Gewerkschaft erklärt, daß ein Vertrag mit dem Hafen von Longview -- nicht mit EGT -- und die seit langem bestehende Zuständigkeit der Gewerkschaft rechtlich regelt, auf dem vom Unternehmen EGT finanzierten, 200.000.000 Dollar teuren Terminal zu arbeiten. EGT weist die Behauptung der Gewerkschaft zurück und erklärt, daß sie für die Anlage zum Getreideexport ihre eigenen Leute brauchen, um die hochmoderne Steuerung zu bedienen.

Die Gewerkschaftsproteste begannen im Mai letzten Jahres relativ gutartig, als in Longview an der Kreuzung 15th Avenue und Oregon Way 150 Demonstranten protestierten und EGT aufforderten, ILWU-Arbeiter einzustellen. Im Juni wurden vor der Firmenzentrale in Portland über 1.000 ILWU-Arbeiter als Streikposten aufgestellt.

Doch im Juli (2010) spitzte sich die Lage zu. Am 11. wurden 100 Demonstranten verhaftet, weil sie ein Tor niederrissen und auf dem EGT-Gelände protestieren. Am 14. blockierten Hunderte von Arbeitern die Gleise, um eine Getreidelieferung zu verhindern -- die Eisenbahngesellschaft Burlington Northern Santa Fe stoppte danach alle Lieferungen wegen "Sicherheitsbedenken". Am 22. schloß EGT das Terminal, als 100 Streikposten den Zugang blockierten. Einer der Demonstranten wurde festgenommen. Am 25. wurden sieben Demonstranten verhaftet, einer davon wurde angeklagt, weil er eine Person, die auf das Gelände fuhr, zu töten drohte. Die Polizei, die die Taktik der Gewerkschaft als "immer aggressiver" beschrieb, war gezwungen, EGT-Arbeiter an den Streikposten vorbei zu geleiten. Ebenfalls im Juli änderte EGT die ursprüngliche Ankündigung, keine gewerkschaftlich organisierten Küstenarbeiter einzustellen, um jährlich 1.000.000 Dollar Betriebskosten einzusparen und stellte Gewerkschaftsmitglieder ein.

Doch sie stellten keine ILWU-Arbeiter ein. Am 17. Juli trafen sie eine Vereinbarung mit der General Construction Company, die Arbeitnehmer der Gewerkschaft IUOE (International Union of Operating Engineers) beschäftigt. Dies war die Folge einer von EGT im vergangenen Januar eingereichten Klage gegen die Behauptung der ILWU, daß Local 21 für alle Küstenarbeiten im Hafen von Longview zuständig ist. Der Prozeß ist für das nächste Jahr geplant.

Doch der Rechtsstreit war nicht das Einzige, was in der gesetzlichen Arena geschah. In einem Schritt, der zweifellos die Glaubwürdigkeit der ILWU unterminierte, reichte die Dienststelle NLRB (National Labor Relations Board NLRB) -- immerhin die gleiche Regierungsstelle, die schon verhindern wollte, daß in South Carolina ein Boeing-Werk errichtet wird, weil es in South Carolina keine Zwagsmitgliedschaften in Gewerkschaften gibt -- am 29. August vor Gericht eine Klage gegen die Gewerkschaft ein. Die NLRB warf der Gewerkschaft "unfaire Gewerkschaftspraktiken" vor und argumentierte weiter, daß die Gewerkschaft keine legitime Beschwerde gegen die Firma hätte, weil die Verhandlungen zwischen EGT und der ILWU abgebrochen wurden, bevor auch nur eine Vereinbarung unterzeichnet wurde. In einer skurrilen Wendung erklärte die NLRB, daß die Beschwerden der Gewerkschaft an General Construction gerichtet werden sollten.

Drei Tage später wurde von Amtsrichter Ronald B. Leighton eine zehntägige einstweilige Verfügung gegen die Gewerkschaft ausgestellt, die ILWU Mitgliedern "rechtswidrige ... Gewalt durch Streikposten, Drohungen und Sachschäden, Massen-Streikposten und die Versperrung von Ein- und Ausgängen der EGT-Anlage" untersagt, ebenso die "Behinderung oder Nötigung von EGT-Mitarbeitern, dem Subunternehmer General Construction, oder jeder anderen Person, die auf der Anlage von EGT tätig ist". Der Präsident von Local 21, Dan Coffman, blieb nach dem Gerichtsentscheid trotzig. Er bestand darauf, daß Gewerkschaftsmitglieder außerhalb der Grundstücksgrenzen der EGT-Anlage weiterhin protestieren. Die ILWU-Anwälte meinten, der Gerichtsentscheid erlaubte der Gewerkschaft, vor Ort eine "Präsenz" aufrecht zu erhalten. "Wir gehen nicht weg. Wir werden hier bleiben", sagte Coffman damals.

Am 7. September wurde aus diesem Gerichtsentscheid eine rein akademische Frage. Mehr als 400 Hafenarbeiter verhielten sich wieder wie Schläger und blockierten vier Stunden lang einen Zug außerhalb der EGT-Anlage. Es erforderte 50 Polizisten in Kampfausrüstung, um die Demonstration aufzulösen und den Zug in die Hafenanlage zu bekommen. Die Polizei war gezwungen, Schlagstöcke und Pfefferspray gegen den Mob einzusetzen. Während der Konfrontation wurden 19 Demonstranten festgenommen, drei für Kämpfe mit der Polizei und die anderen 16 für die Weigerung, die Gleise zu verlassen, nachdem der Zug angelassen wurde. Abgeordnete des Kreises Cowlitz berichteten auch, daß sie wegen Vandalismus am Zug untersuchen, nachdem er stoppte.

Die Gewerkschaftsführer blieben, wieder einmal, trotzig. "Man kann auf Pfefferspray und Tränengas und Knüppel warten oder auf Unterstützung von Hafenarbeitern von der gesamten Westküste, wenn der nächste Zug versucht, das EGT-Terminal erreichen", sagte Robert McEllrath, Präsident der ILWU. McEllrath, der seinen Gewerkschaftssitz in San Francisco hat, fuhr fort: "Wenn wir hier weggehen, bedeutet es nicht, daß wir aufgegeben und Schluß machen. Es bedeutet, wir kommen wieder." Coffman blieb ebenfalls trotzig. "Es ist ganz unglaublich, daß unsere Polizei in unserem Kreis ein multi-nationales Unternehmen schützt", fauchte er. "Sie sind die Schläger, und unsere Leute handelten zum Schutz [von McEllrath]", fügte er hinzu.

Laut Berichten befanden sich in der Menge nicht nur Gewerkschaftsdemonstranten aus Longview, sondern auch aus Portland, Vancouver und anderen Städten. Am gleichen Tag wurde der Zug bereits in Vancouver von Hafenarbeitern der Gewerkschaft aufgehalten. "Dies ist die jüngste einer sehr langen Reihe von Aktionen der Hafenarbeiter, um sich gegen eine ausländische Firma zu wehren, die versucht, in Washington Fuß zu fassen und die Getreideindustrie zu unterminieren", sagte ILWU Sprecherin Jennifer Sargent in Bezug auf die Proteste in Vancouver.

Wie paßte dies zu der einstweiligen Verfügung? Gar nicht. Am 8. September gab Richter Leighton seine Entscheidung bekannt, machte aus der 10-tägigen einstweiligen Verfügung einen dauerhaften Entscheid, stellte fest, daß die ILWU-Aktionen "offensichtlich illegal" waren und fügte ärgerlich hinzu, daß "jemand verletzt wird, wenn wir die Situation nicht unter Kontrolle kriegen". Und obwohl Richter Leighton darauf hinwies, daß die Gewerkschaft gegen seine einstweilige Verfügung verstoßen hatte, ging er nicht so weit, alle Streikposten auf der Anlage in Longview zu verbieten, trotz eines Gesuchs der Bundesregierung, dies zu tun.

Am vergangenen Donnerstag legte der Richter noch einen drauf. Er befand die ILWU der Mißachtung des Gerichts schuldig und erklärte, daß er die Gewerkschaft mit einer Geldbuße in der Höhe belegen würde, den die Schadensanalyse der EGT für den 8. September während der Schlägerei feststellen würde. Leighton ordnete zwar nicht an, daß jemand ins Gefängnis wandert, verbrachte aber fünf Stunden mit Schelte der Gewerkschaftsdemonstranten, die er als "Mob" bezeichnete.

Die Zeugenaussage von einer der Wachen, die in dieser Nacht als Geiseln gehalten wurde, war aufschlußreich. Der Terminal-Wachmann Charlie Cadwell sagte dem Gericht, alle Demonstranten, die er in dieser Nacht sah, trugen "Baseballschläger, Bleirohre und Gartengeräte". Er sagte auch, daß er von einem Hafenarbeiter aus seinem Auto gezogen wurde, während ein anderer ein Rohr auf ihn schleuderte. Cadwell sagte, daß, nachdem jemand mit seinem Auto wegfuhr, "40 bis 50 Leute" Steine auf ihn warfen und ihn zwischen den Augen und am Knie trafen. Mark Langlois, Sergeant der Polizei aus Longview, sagte außerdem, er antwortete auf einen Polizeiruf über mehrere Fahrzeuge, die in Longview die Halle der Hafengewerkschaft in der am 14. Avenue verlassen, wurde aber daran gehindert, etwas zu unternehmen, als ein Fahrzeug seinen Weg versperrte. Er wurde ebenfalls von einem Mob mit Schlägern bedroht. "Ich war allein. Ich war völlig unterlegen", sagte Langlois. "Was immer all diese Menschen vorhatten, ich dachte gar nicht daran, sie aufzuhalten."

Man kann sich nur wundern. Trotz der Vorladung wegen Mißachtung des Gerichts bleibt die Gewerkschaft unbeirrt. "Verantwortung geht in beide Richtungen", hieß es in einer Erklärung. "Die Arbeiter konfrontierten heute den Richter, aber die multinationale EGT, die in der Gemeinde Chaos schafft, indem sie durch spezielle Steuerfreibeträge Millionen einnimmt, die ihre Vereinbarung bricht, ILWU-Arbeiter einzustellen, die den Hafen verklagt und die Korn-Industrie im Nordwesten zu destabilisieren versucht, wurde bisher nicht zur Rechenschaft gezogen." Die Schlußfolgerung im letzten Teil der Erklärung läßt noch eine Mißachtung der Realität erkennen: "Wenn Gewerkschaftsmitglieder auf einem Bahngleis stehen und ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen, dann ist das ein Verbrechen. Wenn ein großes Unternehmen aber eine ganze Gemeinde ausplündert, dann interessiert das keinen."

Am vergangenen Freitag wurden die Possen der Gewerkschaft fortgesetzt. Etwa 200 Arbeiter versammelten sich in Kelso vor dem Justizgebäude für Cowlitz County, wo sie ankündigten, daß sie vorhaben, "sich der Polizei zu ergeben", um die Anschuldigungen für die Demonstrationen der Vorwoche zu beantworten. Sie reagierten damit auch auf den Sheriff von Cowlitz County, Mark Nelson, der am Tag zuvor erklärte, daß im Zusammenhang mit der Blockade des Zuges vom 7. September sechs weitere Personen verhaftet wurden und daß es wahrscheinlich zu weiteren Festnahmen kommt. Die Demonstranten behaupteten, daß sie es leid sind, von Polizeibeamten, die ihnen nach Hause folgen, festgenommen zu werden. Die Polizei weigerte sich, den Köder anzunehmen, und die Demonstration löste sich nach einer halben Stunde auf.

Drei Sachen kommen in Bezug auf diese Geschichte in den Sinn. Die erste war ein sehr aufschlußreiches Zitat während der Konfrontation zwischen der Polizei und den Demonstranten, die am 7. September den Zug blockierten. Als die Polizei den Mob zu bewegen versuchte, riefen die Gewerkschafter zu den gewerkschaftlich organisierten Polizisten: "Wir waren auf eurer Seite!" Dies bringt eine beunruhigende Denkweise zum Vorschein, eine, die sich bereits während der Proteste in Madison Wisconsin gezeigt hat, wo sich die gewerkschaftlich organisierten Polizeikräfte weigerte, einen Befehl durchzusetzen, um die Protestierenden aus dem Capitol zu entfernen. Im US-Bundesstaat Washington hat die Polizei bewundernswert gehandelt. In Wisconsin nicht. Amerikaner erwarten zu Recht, daß Vollzugsbeamte an erster Stelle Polizeibeamte und an zweiter Stelle Gewerkschaftsmitglieder sind. Es bleibt abzuwarten, wofür sich die gewerkschaftlich organisierten Polizeikräfte in der Zukunft entscheiden. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß diejenigen Menschen enttäuscht sein werden, die aufgrund einer landesweiten Basis Konsistenz erwarten.

Zweitens ist erschreckend, daß die Medien diese Ereignisse nicht melden. Die Berichte kamen hier im Wesentlichen von lokalen Nachrichtenorganisationen, trotz zwei massiver Gewerkschaftsausschreitungen, einer Mißachtung einer richterlichen Vorladung, und sympathiebekundender Arbeitsniederlegungen anderer Gewerkschaftsmitglieder, die Verständnis für die ILWU zeigten -- Arbeitsniederlegungen, die effektiv den Güterumschlag in den Häfen von Tacoma und Seattle zum Stillstand gebracht haben. Man darf gespannt sein, was nötig ist, damit solche Nachrichten die Aufmerksamkeit der Vierten Gewalt rechtfertigen.

Und drittens darf man gespannt sein, ob sich der Aufruf des Führers der Lastkraftwagenfahrer-Gewerkschaft IBT (International Brotherhood of Teamsters) James Hoffa (der Sohn von Jimmy Hoffa) am Tag der Arbeit auszahlt und ordentliche "Dividenden" bringt: "Laßt uns diese Hurensöhne erledigen und Amerika dorthin zurückbringen, wo Amerika hingehört." Das einzige, was vielleicht noch peinlicher ist als der Spruch selbst, war die Tatsache, daß sie zu Hoffas Vorstellung von Präsident Obama auf der Kundgebung gehörte -- eine Vorstellung, die der Präsident trotz aller bisheriger Ermahnungen zur Höflichkeit nicht verurteilen wollte.

Auch wenn Präsident Obama sich nicht dazu durchringen kann, den Gewerkschaftsausschreitungen die Stirn zu bieten, könnte er eine solche Zurückhaltung unter politischen Aspekten betrachten. Der 17. September 2011 sollte zu einem "Tag der Wut" ("Day of Rage") gegen das von vielen Gewerkschaften beschimpfte kapitalistische System werden. Es wurde erwartet, daß in der Wall Street 20.000 Demonstranten aufeinandertreffen. Tatsächlich kamen nur etwa 300 Menschen. Darüber hinaus gehören nur 12 Prozent aller erwerbstätigen Amerikaner einer Gewerkschaft an, und im ganzen Land haben die Menschen deutlich gemacht, daß der Status quo nicht länger erschwinglich ist -- vor allem in Bezug auf Angestellte des öffentlichen Dienstes.

Daß der Präsident den Mitgliedern einer demokratischen Kernwählerschaft nur zögerlich entgegentrat, als sich diese Vorfälle ereigneten, könnte aus einer zynischen politischen Perspektive verständlich sein. Daß er schwieg, nachdem eine richterliche Vorladung mißachtet wurde, ist unentschuldbar.
Hier finden Sie den Originalartikel, Violent Union Mob Mayhem in Washington State.