Freitag, 13. Januar 2012

Ein König Lear für Mädchen

Mark Tapson über den feministischen Fantasyfilm "Die Eiserne Lady".

(Wetten, daß der Müllhaufen der Filmgeschichte den Film von der Wertung her ziemlich schnell vergessen wird?)

(weitere Anmerkungen in Klammern)


Der neue Film "Die Eiserne Lady" ("The Iron Lady") mit Meryl Streep als ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher stellte die liberalen linken Filmemacher anfangs vor ein Dilemma: Wie eine Oscar-würdige Darstellung liefern, ohne gleichzeitig eine rechte Ikone zu ehren? Sie haben es anscheinend gelöst, indem sie einen Film über eine Feministin gemacht haben, und nicht einen über eine konservative Ikone.

Die Eiserne Lady startet in diesem Monat in den USA und zeigt Thatchers beruflichen und persönlichen Aufstieg und Niedergang -- von der Tochter eines Kolonialwarenhändlers an die Spitze der Politik, und, wie es der Film zeigt, wieder zurück in die Irrelevanz aus Einsamkeit und Senilität. Nebenbei sehen wir ihren Kampf gegen die mächtigen Gewerkschaften, ihre Verteidigung des freien Marktes, ihre Beharrlichkeit gegen den sexistischen Spott ihrer politischen Kollegen, ihren Triumph im 1982er Falkland-Krieg, und ihre Churchill gleichende Weigerung, den IRA-Terroristen nachzugeben -- diese Liste erweckt in mir den Wunsch, Margaret Thatcher hätte in den letzten 3 Jahren unser Land regiert.

Der Film zeigt Streep, die erfolgreichste Oscar-Preisträgerin der Geschichte, in der Rolle ihres Lebens, die ihr sicherlich eine weitere Oscar-Nominierung einbringen wird. Eine Rolle, die so polarisierend ist, wie die außergewöhnliche Eiserne Lady selbst. Einige Kritiker haben dem Film -- oder zumindest Meryl Streep -- begeisterte Kritiken gegeben, während ihn andere als gemein und lieblos bezeichneten, auch Angehörige von Thatchers Familie und ehemalige Freunde und Kollegen. Ein Freund der Familie sagte vor der Veröffentlichung des Films, daß Thatchers Kinder "entsetzt waren, was sie über den Film erfuhren. Sie denken, es klingt nach einer Fantasie von liberalen Linken."

Norman Tebbit, ein Berater, der acht Jahre lang eng mit Thatcher arbeitete und der sich beschwert, daß die Filmemacher ihn und andere, die sie wirklich kannten, nicht ansprachen, schrieb auf Telegraph Online, daß "sie nach meiner Erfahrung niemals die halb hysterische, über-emotionale, chargierende Frau war, die von Meryl Streep dargestellt wird".

Doch einigen liberalen Linken geht der Film in seiner Unfreundlichkeit gegenüber Englands heutiger (Heerführerin) Boudicca (aus dem 1. Jahrhundert) nicht weit genug. (Rückblende: Schon 1989 entstand in der bekifften britischen Dub-Szene unter den Privatisierungswahnvorstellungen ein Loblied auf die Verstaatlichung der Luft: "Privatize the Air" von "Gary Clail & On U Sound System".)

Stuart Jeffries schrieb auf der Internetseite von The Guardian, ihre Zeit war eine "Ära der Wut über das, was Thatcher, die Wirtschaftszerstörerin und Kriegstreiberin, England antat ... Es wäre bedauerlich, wenn 'Die Eiserne Lady' diese tiefe Wut übersieht und Thatcher als eine Frau herauskristallisiert, die alle Widerstände besiegt." (Der Originalsatz ist lesenswert, ich hatte irgendwie das Gefühl, Jürgen Habermas lebt.)

Die Wut ist aber das, worauf sich die Filmemacherinnen konzentrierten. Meryl Streep und die britische Regisseurin Phyllida Lloyd (die aussieht wie ein Hanoi-Gretchen-Klon), die beide gesagt haben, "Die Eiserne Lady" ist "König Lear für Mädchen", machten keinen Film über Thatchers Konservatismus, sondern einen über "eine Frau, die die Geschlechter- und Klassenschranken einer Männer-dominierten Welt zerschlagen hat". (Oder, in moderner LGBetc Übersetzung, "eine Frau, die die Gender- und Klassenschranken einer Männer-dominierten Welt zerschlagen hat".)

Streep und Lloyd sind schließlich nicht konservativ. "Ich bin mit vielem von ihrer Politik immer noch nicht einverstanden", sagte Streep diplomatisch. "Aber ich fühle, daß sie daran glaubte und daß ihre Politik einer ehrlichen Überzeugung entstammte, und daß sie keine Kosmetik war, nur um das Make-up den Zeiten anzupassen." (Und jetzt würfeln wir alle, was diese Aussage bedeutet und hören uns nach dem Kauf der DVD/BluRay im Making-of an, wie nachhaltig sich die unglaublichen Erfahrungen der Darsteller während dem Dreh wieder einmal auf deren Lebensalltag auswirken.)

Was diese Politik betrifft, so sagte Streep in einem Interview lachend:

Wir sind nicht an König Lears Politik interessiert. Wir behaupten nicht, wir hätten für ihn gestimmt (echt, das hätte ich jetzt nicht gedacht) ... Was mich interessierte, war die Rolle von jemandem, der möglicherweise monströse Dinge tut, oder törichte Dinge.

Monströse oder törichte Dinge? Streeps Ansichten über Politik und Vermächtnis eines weiblichen Lear sind ziemlich unverhohlen. Regisseurin Lloyd beschrieb ihr Ziel, das sie mit diesem Projekt verfolgt, in ähnlicher Weise:

In Teilen von England ist es jetzt sogar eine Sünde, sie als ein menschliches Wesen zu betrachten. Diese Frau ist ein Monster, eine Dämonin. Für mich bedeutete der Film, die menschliche Seite zu finden.

Obwohl sie nicht für Thatcher gestimmt hatte, jubelte Lloyd, als in England schließlich eine Frau an die Macht kam: "Es fühlte sich an wie eine für unser Team." Streep erinnert sich ebenfalls daran, wie eine Erregung ihr Bein hochlief:

Bei mir war es das Gleiche. Wir alle dachten, wenn es in England geschehen kann -- gebunden an die Klasse, sozial erstarrt, homosexuellenfeindlich -- wenn sie dort eine Führerin wählen können, dann ist es in Amerika nur Sekunden entfernt.

Moment mal -- hat Meryl Streep die Engländer gerade homosexuellenfeindlich genannt? Und sozial verkalkt? Dies sind nicht gerade Äußerungen, die zu einer erfolgreichen Werbetour beitragen. Aber es kommt immer öfter vor, daß sich viele in Hollywood vergessen und ihr sozial unaufgeklärtes Publikum verachten.

Natürlich begeistern sich Feministinnen normalerweise nicht für Thatcher, trotz ihrer bahnbrechenden Politik. Ihre Ablehnung, "sogar von Feministinnen", sagt Streep, scheint "etwas zu tun zu haben mit unserem fundierten ... Unbehagen im Zusammenhang mit Frauen an der Macht. Oder unserer Angst davor." Nein, die feministische Ablehnung von Thatcher hat mit ihrem Konservatismus zu tun, weil sich Feministinnen äußerst unbehaglich fühlen und Angst haben, wenn konservative Frauen das feministische Ideal, "alles erreicht zu haben", erfolgreicher verkörpern als selbsternannte Feministinnen.

Der libertäre Filmkritiker Kurt Loder behauptet, daß "der Film keine offenkundige parteiliche Agenda hat. Er zeigt gute und schlechte Seiten -- abhängig von der eigenen politischen Orientierung." Er bemerkt jedoch, daß die vollständig erfundenen Sequenzen des Films über "die senile Eiserne Lady im Ruhestand", die der Demenz erliegt und Gespräche mit ihrem toten Ehemann phantasiert, "äußerst unangenehm" und geschmacklos sind.

Auch so verharmlost und untergräbt dieser Film Thatchers Platz in der Geschichte als eine konservative Legende. Als sogenannter König Lear für Mädchen erzählt der Film laut Pressemitteilung "eine Geschichte über die Macht in der Politik, und welchen Preis man dafür bezahlen muß". Und dieser Preis besteht für Thatcher dem Film zufolge aus geistigem Verfall, Albträumen, Einsamkeit und Trauer.

"Es gab Leute, die den Film gesehen haben und völlig entsetzt waren, wer sich gerne wünschen würde, eine triumphale Saga zu sein," sagte Meryl Streep. Ja, Gott behüte, daß Hollywood eine der weltweit bekanntesten Konservativen politisch triumphierend darstellt, stellen Sie sich eine Hollywood-Filmbiographie über einen nationalen Führer vor, den sie vorbehaltlos bewundern, sogar anzubeten -- wie wäre es mit Obama? Wäre ein solcher Film irgendetwas anderes als eine triumphale Saga?

Manche zeigen sich über die Auswirkung des Films weitgehend unbeeindruckt. Lord Tim Bell, einer der wichtigsten PR-Berater Thatchers, verwirft ihn als "kein Ereignis". "Für ihren Platz in der Geschichte wird es keinen Unterschied machen." Leider unterschätzt er die Macht von Hollywood auf die Wahrnehmung ganzer Generationen, die von Geschichte wenig Ahnung haben, dank unseres liberalen linken Bildungssystems.
Hier finden Sie den Originalartikel, A King Lear for Girls.