Donnerstag, 24. Januar 2013

Enthüllt: Wie Israel Südafrika anbot, Atomwaffen zu kaufen

Chris McGreal über Israels verantwortungsbewußte Geschäfte.
Exklusiv: Geheime Papiere aus der Apartheid-Ära bringen erstmals den offiziellen Nachweis israelischer Atomwaffen.

Revealed: how Israel offered to sell South Africa nuclear weapons
Das militärische Geheimabkommen, unterzeichnet von P. W. Botha und Schimon Peres. Foto: GUARDIAN

24. Mai 2010 -- Geheime südafrikanische Dokumente enthüllen, daß Israel dem Apartheid-Regime den Verkauf nuklearer Sprengköpfe anbot, was erstmals den offiziellen Nachweis liefert, daß der Staat über Atomwaffen verfügt.

Die „streng geheimen“ Minuten des Treffens zwischen hochrangigen Vertretern der beiden Länder im Jahr 1975 zeigen, daß Südafrikas Verteidigungsminister P. W. Botha die Sprengköpfe erbat und Schimon Peres, zu der Zeit Israels Verteidigungsminister und jetzt Präsident, erwiderte, sie „in drei Größen“ anzubieten. Die beiden Männer unterzeichneten auch eine breit angelegte Vereinbarung über militärische Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die eine Klausel enthält, die erklärt, daß „die bloße Existenz dieser Vereinbarung“ geheim bleiben muß.

Die Dokumente, die von einem amerikanischen Akademiker, Sasha Polakow-Suransky, bei Recherchen für ein Buch über die enge Beziehung zwischen den beiden Ländern aufgedeckt wurden, bringen den Nachweis, daß Israel trotz seiner Politik der „Zweideutigkeit“, deren Existenz weder zu bestätigen noch leugnen, Atomwaffen besitzt.

Die israelischen Behörden versuchten, Südafrikas Post-Apartheid-Regierung aufzuhalten, die Dokumente auf Polakow-Suranskys Wunsch freizugeben, und die Enthüllungen werden für Verlegenheit sorgen, insbesondere da sich die dieswöchigen Gespräche über nukleare Nichtverbreitung in New York auf den Nahen Osten konzentrieren.

Sie werden auch Israels Versuche untergraben, daß, falls es Atomwaffen besitzt, eine „verantwortungsbewußte“ Macht ist, die sie nicht mißbrauchen würde, im Gegensatz zu Ländern wie dem Iran, dem man nicht trauen kann.

Eine Sprecherin für Peres sagte heute, der Bericht sei haltlos und es gab „nie irgendwelche Verhandlungen“ zwischen den beiden Ländern. Die Authentizität der Dokumente wollte sie nicht kommentieren.

Südafrikanische Dokumente zeigen, daß das Militär der Apartheid-Ära die Raketen zur Abschreckung und für potentielle Angriffe gegen Nachbarstaaten wollte.

Die Dokumente zeigen, daß sich beide Seiten am 31. März 1975 trafen, schreibt Polakow-Suransky in seinem diese Woche in den USA veröffentlichten Buch, „Das unausgesprochene Bündnis: Israels geheime Allianz mit Apartheid-Südafrika“ („The Unspoken Alliance: Israel's secret alliance with apartheid South Africa“). Bei den Gesprächen boten israelische Vertreter „Südafrika einige der atomwaffenfähigen Jericho-Raketen in ihrem Arsenal offiziell zum Kauf an“.

Unter den Teilnehmern der Sitzung war Südafrikas militärischer Stabschef, Generalleutnant R. F. Armstrong. Er stellte sofort ein Memorandum zusammen, in dem er die Vorteile von Südafrika darlegte, wenn es die Jericho-Raketen erhielte, aber nur, wenn sie mit Atomwaffen ausgerüstet wären.

Das Memorandum, das mit „streng geheim“ gekennzeichnet war und vom selben Tag wie das Treffen mit den Israelis stammte, wurde zwar bereits zuvor aufgedeckt, doch sein Kontext wurde nicht vollständig verstanden, weil nicht bekannt war, daß es direkt mit dem israelischen Angebot vom selben Tag in Verbindung gebracht werden mußte und daß es die Grundlage für eine direkte Anfrage an Israel war. Darin schreibt Armstrong: „Bei der Würdigung des Sachverhalts eines Waffensystems wie dem angebotenen, gibt es bestimmte Annahmen: a) daß die Raketen mit in der RSA (Republik Südafrika) hergestellten nuklearen Sprengköpfen bewaffnet sind oder anderswo erworben werden.“

Doch Südafrika war Jahre davon entfernt, Atomwaffen bauen zu können. Etwas weniger als zwei Monate später, am 4. Juni, trafen sich Peres und Botha in Zürich. Bis dahin hatte das Projekt Jericho den Decknamen „Chalet“.

Im streng geheimen Sitzungsbericht ist aufgezeichnet: „Minister Botha bekundete sein Interesse an einer begrenzten Anzahl an Einheiten von Chalet, unter Vorbehalt, daß die richtige Nutzlast zur Verfügung steht.“ Im Dokument ist dann aufgezeichnet: „Minister Peres sagte, die richtige Nutzlast wäre in drei Größen erhältlich. Minister Botha dankte und sagte, er würde um Rat fragen.“ Die „drei Größen“ beziehen sich vermutlich auf konventionelle, chemische und nukleare Waffen.

Der Gebrauch eines Euphemismus, die „richtige Nutzlast“ („correct payload“), zeigt Israels Empfindlichkeit gegenüber der Atomfrage und würde bei einem Bezug auf konventionelle Waffen nicht verwendet worden sein. Er kann außerdem nur nukleare Sprengköpfe bedeutet haben, da Armstrongs Memorandum deutlich macht, daß Südafrika an den Jericho-Raketen ausschließlich als einem Mittel zum Tragen von Atomwaffen interessiert war.

Und die einzige Nutzlast, die die Südafrikaner von Israel hätten erhalten müssen, war nuklear. Andere Sprengköpfe konnten die Südafrikaner selbst zusammenzusetzen.

Botha führte das Geschäft nicht durch, zum Teil wegen der Kosten. Darüber hinaus hätte jedes Geschäft die endgültige Genehmigung von Israels Premierminister erfordert und es ist ungewiß, ob sie erfolgt wäre.

Südafrika baute schließlich seine eigenen Atombomben, womöglich sogar mit israelischer Unterstützung. Aber die Zusammenarbeit auf dem Gebiet militärischer Technologie nahm in den folgenden Jahren nur zu. Südafrika lieferte auch viel von dem Yellowcake-Uran, das Israel benötigte, um seine Waffen zu entwickeln.

Die Dokumente bestätigen die Schilderungen von Dieter Gerhardt, dem ehemaligen südafrikanischen Marinekommandanten, der im Jahr 1983 wegen Spionage für die Sowjetunion inhaftiert wurde. Nach seiner Entlassung nach dem Zusammenbruch der Apartheid sagte Gerhardt, daß es zwischen Israel und Südafrika eine „Chalet“ genannte Vereinbarung gab, die ein Angebot des jüdischen Staates beinhaltete, acht Jericho-Raketen mit „speziellen Sprengköpfen“ zu bewaffnen. Gerhardt sagte, dies waren Atombomben. Doch bis jetzt gab es für das Angebot keine Belege.

Einige Wochen bevor Peres an Botha sein Angebot über nukleare Sprengköpfe machte, unterzeichneten die beiden Verteidigungsminister über das als „Secment“ bekannte militärische Bündnis eine geheime Vereinbarung. Es war so geheim, daß es eine Leugnung der eigenen Existenz enthielt: „Hiermit wird ausdrücklich vereinbart, daß die bloße Existenz dieser Vereinbarung ... geheim zu halten ist und von keiner der Vertragsparteien offengelegt werden darf.“ (Anm.: Für Politiker der Originaltext: „It is hereby expressly agreed that the very existence of this agreement... shall be secret and shall not be disclosed by either party.“)

Die Vereinbarung erklärte auch, daß keine Partei einseitig darauf verzichten konnte.

Die Existenz von Israels Atomwaffenprogramm wurde von Mordechai Vanunu im Jahr 1986 in der SUNDAY TIMES enthüllt. Er lieferte Aufnahmen aus dem Inneren der Atomanlage von Dimona und gab detaillierte Beschreibungen der Prozesse zur Herstellung eines Teils des Kernmaterials, stellte aber keine schriftliche Dokumentation bereit. (Anm.: Die Schlagzeile der SUNDAY TIMES vom 5. Oktober 1986: „Revealed - the secrets of Israel’s nuclear arsenal / Atomic technician Mordechai Vanunu reveals secret weapons production“)

Dokumente, die von iranischen Studenten nach der Revolution von 1979 in der US-Botschaft in Teheran vorgefunden wurden, zeigten, daß der Schah gegenüber Israel Interesse bekundete, Atomwaffen zu entwickeln. Die südafrikanischen Dokumente bestätigen jedoch, daß Israel in der Lage war, Jericho-Raketen mit nuklearen Sprengköpfen zu bewaffnen.

Israel übte auf die gegenwärtige südafrikanische Regierung Druck aus, von Polakow-Suransky erhaltene Dokumente nicht freizugeben. „Das israelische Verteidigungsministerium versuchte meinen Zugang zu der Secment-Vereinbarung mit der Begründung zu blockieren, daß es empfindliches Material wäre, besonders die Unterschrift und das Datum“, sagte er. „Die Südafrikaner schien es nicht zu kümmern; sie schwärzten ein paar Zeilen und händigten es mir aus. Die ANC-Regierung ist nicht so besorgt, die schmutzige Wäsche der alten Verbündeten des Apartheid-Regimes schützen.“
Hier finden Sie den Originalartikel, Revealed: how Israel offered to sell South Africa nuclear weapons.

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