Dienstag, 3. April 2012

Türkei: Die neue Bösartigkeit

Joseph Puder über Recep Tayyip Erdogan.

(Anmerkungen in Klammern)


Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wurde von einigen Israelis als „mittelmäßiger Hitler“ bezeichnet. Dem verächtlichen Ton und seinen neuesten Drohungen liegt ein tiefer Haß auf den jüdischen Staat zugrunde.

Erdogan kündigte soeben (am 6. September 2011) an, daß Ankara den Handel mit Verteidigungswaffen mit Israel einfriert und daß die Marine seiner Nation intensive Patrouillen zur Überwachung des östlichen Mittelmeers aufnehmen wird -- ein Schritt, der zu einer Konfrontation mit Israel führen könnte. Erdogan drohte auch mit weiteren Sanktionen gegen Israel. Sein kriegerischer Ton dient dazu, die zwischen Israel und der Türkei bereits bestehende Spannung zu vertiefen.

Erdogan hielt vor kurzem (im Juli 2011) eine Rede vor dem türkischen Parlament, in der er die Rhetorik gegen Israel steigerte. In einem Versuch, aus dem Mavi Marmara Zwischenfall sein „Pfund Fleisch“ und so viel Gewinn wie möglich herauszuschlagen, verlangt er, daß Israel, zusätzlich zu den Entschuldigungen und Entschädigungsversprechen, die Israel den Familien der neun getöteten Türken bereits gemacht hat, Israel als eine Voraussetzung für die Normalisierung der türkisch-israelischen Beziehungen außerdem noch die Blockade des Gazastreifens aufheben muß. Offensichtlich versucht Erdogan Israel einzuschüchtern, um sich an die sunnitisch-arabische und muslimische Welt anzubiedern, und die iranische Unterstützung der Hamas und der Palästinenser zu übertreffen. Was sich den politischen Entscheidungsträgern in Jerusalem auch zeigt, ist, daß Erdogan mehr daran interessiert, Israel zu demütigenden, als daran, den Streit zwischen den beiden Ländern zu beenden.

Laut Washington Times vom 24. August 2011 beschrieb Israels aus dem Amt scheidender Botschafter in der Türkei, Gabby Levy, den türkischen Premierminister Erdogan als „Fundamentalist, der den jüdischen Staat aus religiösen Gründen haßt“. Dies stand in einem vertraulichen Bericht, der von dem US-Botschafter in der Türkei, James F. Jeffrey, nach Washington geschickt und dann auf Wikileaks veröffentlicht wurde. Die Depesche des US-Botschafters wies darauf hin, daß Levy „politische Berechnungen als Motivation für Erdogans Feindseligkeit gegenüber Israel von der Hand wies, wobei er argumentierte, daß die Partei des Ministerpräsidenten durch seine Beschimpfung von Israel in den Umfragen nicht einen einzigen Punkt gewonnen hatte“. Levy nannte bei Erdogans Feindseligkeit gegenüber den Juden seine „tiefsitzenden Emotionen. Er haßt uns religiös und sein Haß breitet sich aus“.

Der Zeitpunkt von Erdogans jüngstem Ausbruch fiel mit dem sogenannten Palmer-Bericht der Vereinten Nationen zusammen, benannt nach Geoffrey Palmer, Neuseelands ehemaligem Premierminister, der das UN-Gremium leitete, das untersuchte, wie israelische Marine-Kommandos am 31. Mai 2010 das türkische Schiff Mavi Marmara übernahmen, was zum Tod von neun Menschen führte. Der Bericht kam zu dem Schluß, daß Israels Blockade des Gazastreifens gerechtfertigt ist, beschrieb den israelischen Einsatz von Gewalt aber als „übertrieben und unvernünftig“. Der Bericht machte außerdem die Türkei dafür verantwortlich, nicht genug unternommen zu haben, um den Sturm auf die Blockade aufzuhalten. „Bei dem Versuch, die Seeblockade zu brechen, handelte die Flotte leichtfertig“, erklärte der Bericht. „Die Mehrheit der Teilnehmer der Flotte hatten keine gewalttätigen Absichten, aber es bestehen ernsthafte Fragen über das Verhalten, die wahre Natur und die Ziele der Organisatoren der Flotte, insbesondere der IHH“, die eine „radikale islamistische Organisation mit Sitz in der Türkei ist, die starke Verbindungen zur Muslimbruderschaft in Ägypten und zur Hamas im Gazastreifen hat“.

Während in dem UN-Gremium einige argumentierten, daß Israel „übertriebene Gewalt“ einsetzte, machte der Palmer-Bericht deutlich, daß das „Personal der Israelischen Verteidigungskräfte auf deutlichen und gewaltsamen Widerstand von einer Gruppe von Passagieren stieß, als sie an Bord der Mavi Marmara gingen, was den Einsatz von Gewalt für ihren eigenen Schutz erforderlich machte. Drei Soldaten wurden gefangen genommen, mißhandelt und durch diese Passagiere einer Gefahr ausgesetzt. Mehrere wurden verletzt“. Außerdem bestätigte der Bericht, daß „humanitäre Schiffe (humanitarian vessels) Inspektionen erlauben und anhalten oder den Kurs ändern sollten, wenn sie dazu angefordert werden“.

Jerusalem akzeptierte den Palmer-Bericht sofort, den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon am vergangenen Wochenende veröffentlichte. Ankara dagegen, unter der Regie von Erdogan, erklärte den Bericht für „null und nichtig“. Ironischerweise war es die Türkei, die zunächst eine offizielle UN-Untersuchung über die Ereignisse an Bord der Mavi Marmara verlangte.

Erdogan war ein Protegé des ersten islamistischen Ministerpräsidenten der Türkei, Necmettin Erbakan, der 1996 ins Amt kam und 1997 durch das türkische Militär aus dem Amt entfernt wurde. Erbakan war der Mentor des jungen Erdogan und Erbakans Wohlfahrtspartei wurde von Erdogan in die AKP-Partei umgewandelt. Durch ein transnationales Netzwerk namens Milli Görüs oder „Nationale Vision“ erreichte Erbakan ein hohes Maß an Einfluß. Milli Görüs kooperiert mit dem radikalen Geistlichen Yusuf al-Qaradawi, dem Leiter des so genannten „Europäischen Rates für Fatwas und Forschung“ („European Council for Fatwas and Research“, ECFR). Erbakans fanatischer Judenhaß war in einem Fernseh-Interview aus dem Jahr 2007 zu sehen, das vom Middle East Media Research Institute wiederveröffentlicht wurde, worin Erbakan mutmaßte: Die „Juden hatten seit der Übergabe der Torah die Weltherrschaft gesucht“. Erbakan erklärte: „[D]ie Sicherheit Israels ... bedeutet, daß sie über die 28 Länder von Marokko bis Indonesien herrschen werden ... Alle Kreuzzüge wurden von den Zionisten organisiert“. Erbakan behauptete: Der „rassistische imperialistische Zionismus organisierte 19 Kreuzzüge, nur um seine Ziele zu erreichen. Um die Kreuzzüge zu organisieren benutzte er die Christen“. Erbakan, der Juden als „Bakterien“ bezeichnet, behauptete auch, daß Juden den Protestantismus erfanden. In einem besonders rühmlichen Anfall von Paranoia erklärte er, daß ein jüdischer Mann namens „Kabbalah“ ein System zur Eroberung der Welt entwarf.

Auf Erbakan geht die Forderung nach einer engen Beziehung zwischen der Türkei und der Islamischen Republik Iran zurück, die auch Erdogan verfolgt, trotz der Tatsache, daß er phantasiert, der Erneuerer des alten Osmanischen Reiches zu sein -- in der Geschichte ein Rivale des persischen Reiches. Nach drei gewonnenen Wahlen in Folge konnte Erdogan seine Macht festigen und die Macht der säkularen Militärs praktisch beseitigen. Die oberste Führung des Militärs und der Justiz ersetzte er mit seinen eigenen Loyalisten. Erdogan fühlt sich im Augenblick unbesiegbar, und das erklärt, warum er sich so sehr mit Israel beschäftigt.

Der Handel zwischen der Türkei und Israel hat im Laufe der Jahre für beide Länder erheblich zugenommen. Israels Exporte in die Türkei erreichten 1.300.000.000 Dollar, während die türkischen Exporte nach Israel 1.800.000.000 Dollar in Waren und Dienstleistungen betragen. Für Erdogan ist jedoch seine persönliche Abneigung gegenüber Israel wichtiger als die Interessen der türkischen Wirtschaft. Erdogan verwies den israelischen Botschafter aus Ankara und reduzierte die diplomatischen Beziehungen auf den Zweiten Sekretär. Er hat auch Leibesvisitation von israelischen Passagieren auf großen türkischen Flughäfen angeordnet. Und in einem provokativen Schritt, der die Spannungen in den Beziehungen mit Israel weiter eskalieren lassen soll, hat er letzte Woche angekündigt, daß er einen Besuch des Gazastreifens in Erwägung zieht.

Für die Israelis ist Erdogan zu einem grausamen Gegner geworden, an zweiter Stelle nach Irans Ahmadinejad. Die Israelis schätzen jedoch die Beziehung, die sie mit der einst freundlichen säkularen muslimischen Türkei hatten und hoffen, daß kühlere Köpfe Erdogan irgendwie zurückhalten werden -- und so letztlich den Interessen sowohl des türkischen als auch des israelischen Volkes dienen.
Hier finden Sie den Originalartikel, The New Turkish Viciousness.