Dienstag, 10. April 2012

Internet-Zensur

Wayne Madsen erklärt das neue Internet.

(Anmerkungen in Klammern)


Die Zensur des Internet kam nicht über Nacht, sondern näherte sich Amerikas Küsten langsam von den Testgebieten China und Naher Osten.

Administratoren journalistischer Internetseiten fangen an, es zu diskutieren, E-Mail-Nutzer verstehen langsam, warum es ihre E-Mails betrifft -- die wichtigsten Suchmaschinen scheinen sich danach zu richten, und der Signal-Rausch-Abstand zwischen legitimen E-Mails und Spam-Mails scheint geringer zu werden.

In diesem Fall ist „es“ das, wovor Datenschützer und Computer-Experten schon lange warnten: nationale und globale Internet-Zensur in großem Maßstab. Das Internet wird seit vielen Jahren in vielen Ländern auf der ganzen Welt zensiert. Jetzt. Und auch in Amerika.

Die Abstimmung durch den Kongreß, einen erweiterten Patriot Act um weitere vier Jahre zu verlängern, wird den politischen Kräften der Bush-Regierung ermöglichen, die Zensur im Internet mithilfe der Strafverfolgung auszudehnen. (Dieser Artikel erschien am 9. Dezember 2005 im „Wayne Madsen Report“ -- inzwischen sind wir wohl einen Schritt weiter.)

Internet-Zensur: Die Zeichen waren nicht zu übersehen

Die Warnzeichen für eine Internet-Razzia begleiten uns seit über einem Jahrzehnt. Die „Clipper-Chip“ Kontroverse der 90er Jahre (siehe „Escrowed Encryption Standard“ -- Behörden hätten dabei Zugriff auf die Schlüssel bekommen können, die von zwei Benutzern zum Datenaustausch verwendet werden), John Poindexters „Total Information Awareness“ nach dem 11. September 2001 (TIA; siehe „Information Awareness Office“ -- Aufgabe dieser Agentur war es, innerhalb einer Datenbank alle verfügbaren Merkmale der Bürger zu suchen und später auszuwerten), Geheimverträge zwischen der Regierung und den Internet-Providern und der Patriot Act läuteten eine neue Ära der Internet-Zensur ein, etwas, das Computer-Programmierer angesichts der Natur des Internets ein halbes Jahrzehnt zuvor für unmöglich hielten. Sie lagen falsch.

Nehmen Sie zum Beispiel das, was sich vor kurzem ereignete, als zwei Journalisten am Telefon über eine Geschichte sprachen, die auf Google News erschien. Die Geschichte handelte von einer streng-christlichen Bewegung im Kongreß, die im Sudan US-Streitkräfte einsetzen wollte, um den Völkermord in Darfur zu beenden. Die Geschichte erschien auf der englischen Seite von Google News in Katar. Doch die gleiche Google News Seite zeigte den Artikel nicht, wenn darauf zur gleichen Zeit in Washington, DC zugegriffen wurde. Diese Zensur erledigen Geolocation-Filter: die Änderung oder Einschränkung von Internet-Inhalten aufgrund des geografischen Standortes des Nutzers. Diese Filterung kann jetzt nach Ländern, Staaten, Städten und sogar einzelnen IP-Adressen umgesetzt werden.

Wenn die schwedische Zeitung Svensa Dagbladet heute berichtet, daß das US-Heimatschutzministerium den Flughafen-Behörden auf der ganzen Welt eine „Flugverbots-Liste“ mit 80.000 mutmaßlichen Terroristen zusandte, ist es nicht abwegig, daß den Internet-Providern auf der ganzen Welt eine „Liste zum Verbot oder zur Eingeschränkung des Internet bzw. von E-Mails“ zusandte. Die systematischen Störungen, die bei Internetseiten und E-Mails auftreten, deuten stark darauf hin, daß eine solche Liste existiert.

Nachrichtungenmeldungen über CIA-Transportflüge von Gefangenen und geheime Gefängnisse verschwinden auf Google und anderen Suchmaschinen wie Alltheweb so schnell, wie sie erscheinen. Heute noch da und morgen schon weg ist die Regel.

Links zu Artikeln mit explosiven Informationen über die Bush-Regierung, den Krieg im Irak, Al Qaida und US-Polit-Skandalen fehlen auf Google systematisch. Außer Google arbeiten aber auch noch andere daran, den Internet-Diskurs zu ersticken. AOL, Microsoft, Yahoo und andere verwandeln das Internet langsam in eine Datenautobahn aus Barrikaden, Mautstellen und Ausfahrten, die zu Kontrollen, Engpässen und Sackgassen führen.

AOL erstickt die Freiheit im Internet am krassesten. Ein ehemaliger AOL-Mitarbeiter hat darauf hingewiesen, wie AOL und andere Internet-Provider mit der Bush-Administration zusammenzuarbeiten, um E-Mais zu zensieren. Der Patriot Act gab den Bundesbehörden die Macht, Informationen auf der Datenpaket-Ebene zu überprüfen und AOL wurde von Behörden wie dem FBI angewiesen, mehr zu tun, als nur in der Betreff-Zeile herumzuschnüffeln. Die Nutzungsbedingungen von AOL sind allmählich erweitert worden, um AOL nahezu universelle Macht in Bezug auf die Informationen zu gewähren. Vielen AOL-Benutzern ist wahrscheinlich nicht die flexible Klausel bewußt, die besagt, daß sie an die aktuellen Nutzungsbedingungen sowie sämtliche Nutzungsbedingungen gebunden sind, die AOL zukünftig jederzeit wählen kann. Die einst von AOL-Nutzern akzeptierten Vereinbarungen besagen im Wesentlichen, daß sie die Zensur und Nicht-Zustellung ihrer E-Mail gestatten.

Für Hotmail von Microsoft lauten die Bedingungen ähnlich, wie für die jeweiligen E-Mail-Dienste von Yahoo und Google.

Es gibt auch viele Fälle, in denen Googles Suchmaschine bestimmte Informationen nicht auflistet. Diese Situation ist laut einer Reihe von Administratoren von Internetseiten mit politischen Anti-Bush Inhalten im letzten Monat immer deutlicher geworden. Darüber hinaus berichten viele Administratoren von Internetseiten, daß die Besuche ihrer Internetseiten laut Analyse der Statistik dramatisch abfallen. Sie beklagen außerdem die Frequenz, mit der gefälschte Spam-Viren gemeldet werden, die von den Adressen ihrer Internetseiten kommen.

Die Störung der politischen Seite des Internet durch die Regierung kann leicht inmitten aggressiver Medienberichte über die neuesten Viren und Würmer versteckt werden, die mehr mit dem Verkauf von Anti-Viren-Software und -Dienstleistungen zu tun haben als mit tatsächlichen langfristigen Störungen von Banken, Energieversorgern oder Fluggesellschaften.

Internet-Zensur in den USA: Nicht länger eine Vorhersage

Google, Microsoft, Yahoo und Cisco Systems haben ihre Fähigkeiten in der Internet-Zensur seit Jahren in Ländern wie China, Jordanien, Tunesien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Vietnam und anderen Ländern verfeinert. Sie haben viel gelernt. Sie wären die Letzten, die zugeben, daß sie ihre Zensur-Fähigkeiten in den Vereinigten Staaten auf Geheiß des Bush-Regimes importiert haben. Im vergangenen Jahr wurde während der Bush-Cheney-Wahl der internationale Zugang zu ihrer Internetseite www.georgewbush.com aus nicht näher erläuterten „Sicherheitsgründen“ blockiert.

Nur die Regierungsbürokraten und die beteiligten Unternehmen wissen, welche Geschäfte zur Internet-Zensur gemacht wurden und wie umfangreich die Internet-Zensur ist. Sie schulden ihren Kunden und ihren Mitbürgern die vollständige Offenlegung.
Hier finden Sie den Originalartikel, Internet Censorship.