Dienstag, 18. September 2012

Außenpolitik ist ...



„... Die große Verhaltensregel hinsichtlich fremder Nationen liegt für uns darin, bei der Ausweitung unserer Handelsbeziehungen so wenig politische Verbindung wie möglich mit ihnen zu haben. Soweit wir bereits Verpflichtungen eingegangen sind, laßt sie in vollendet gutem Glauben erfüllt werden. -- Hier aber laßt uns Halt machen.

Europa hat ein Gefüge primärer Interessen, die keine oder sehr entfernte Beziehungen zu uns haben. Deshalb muß es in häufige Auseinandersetzungen geraten, deren Ursachen unseren Anliegen wesentlich fremd sind. Daher also muß es unklug für uns sein, uns durch künstliche Bande in die gewöhnlichen Wechselfälle seiner Politik oder die gewöhnlichen Kombinationen und Zusammenstöße seiner Freund- oder Feindschaften zu verwickeln. Unsere abgesonderte und entfernte Lage veranlaßt uns und setzt uns instand, einen anderen Kurs zu verfolgen. Wenn wir ein einiges Volk unter einer wirksamen Regierung bleiben, ist die Zeit nicht fern, wo wir beträchtlicher Schädigung durch auswärtige Staaten trotzen können; wo wir eine Haltung einnehmen können, die die Neutralität achten lassen wird, die wir zu irgendeiner Zeit beschließen mögen; wo kriegführende Nationen angesichts der Unmöglichkeit, Erwerbungen bei uns zu machen, nicht leichthin damit spielen werden, uns zu provozieren; wo wir Krieg oder Frieden wählen können, wie unser Interesse, geleitet vom Recht, es geraten sein läßt.

Warum sich der Vorteile einer so besonderen Lage begeben? Warum unseren eigenen Boden verlassen, um auf fremdem zu stehen? Warum durch Verflechtung unseres Geschicks mit dem irgendeines Teils von Europa unseren Frieden und unseren Wohlstand in die Netze europäischer Ambition, Rivalität, Interesses, Stimmung oder Laune verstricken?

Unsere wahre Politik ist, uns fernzuhalten von allen dauernden Bündnissen mit irgendeinem Teil der ausländischen Welt; insoweit, meine ich, als wir jetzt frei sind es zu tun; denn laßt mich nicht so verstanden werden, als wäre ich für Untreue gegenüber bestehenden Verpflichtungen. Ich halte die Maxime für nicht weniger anwendbar auf öffentliche als auf private Angelegenheiten, daß ehrlich immer am längsten währt. Ich wiederhole es deshalb, laßt diese Verpflichtungen in ihrem wirklichen Sinn beobachtet werden. Aber meiner Meinung nach ist es unnötig und wäre es unklug, sie auszudehnen.

Wenn wir immer darauf sehen, uns durch geeignete Einrichtungen in achtunggebietendem Verteidigungszustand zu halten, können wir ohne Gefahr zeitweiligen Bündnissen für ungewöhnliche Notlagen vertrauen ...“

Aus der „Abschiedsbotschaft“ George Washingtons, 1796

(Herbert Strauß: Botschaften der Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zur Außenpolitik, 1793-1947, S. 13 f.)
Was sagt uns George Washingtons „Abschiedsbotschaft“ heute? Daß Amerika seit 1909 von den Politikern an der Nase herumgeführt wird.