Montag, 4. Februar 2013

Jersey: Minister entlassen, nachdem er Kindesmißbrauch aufdeckte

Dominic Kennedy über das politische Grundprinzip „Schweig oder stirb“.
Minister sacked after exposing ‘child abuse’

13. September 2007 -- Jerseys Gesundheitsminister wurde entlassen, nachdem er auf harte Strafen in einem Heim hinwies, in dem Kinder -- manche erst 11 Jahre alt -- in Einzelhaft gehalten wurden.

Stuart Syvret, der dienstälteste und beliebteste Senator der Kanalinsel, hatte Minister, Beamte und Sozialarbeiter beschuldigt, zu versagen, Kinder zu schützen, doch er wurde in dieser Woche, nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung in Jerseys Parlament, der Ständeversammlung (the States), zum Rücktritt gezwungen.

Er behauptete, von der „Einparteien-Oligarchie“ des Establishments von Jersey besiegt worden zu sein. Ministerpräsident Frank Walker warf Stuart Syvret jedoch Mobbing und Belästigung von Mitarbeitern vor und die Kanalinsel in Verruf zu bringen.

Zu Stuart Syvrets Mißbrauchsvorwürfen sagte die Regierung, sie habe eine Untersuchung eingerichtet, die von Andrew Williamson, einem britischen Kinderbetreuungsexperten, geleitet werden soll. (Anm.: Damals galt sicher auch Jimmy Savile als Kinderexperte.)

Stuart Syvret sagte der TIMES gestern: „In der gesamten öffentlichen Verwaltung auf Jersey herrscht ein Klima der Angst, die Menschen haben mehr Angst als zuvor. Die Tatsache, daß ich der erste Minister für Gesundheit und Soziales bin, der im Westeuropa der Nachkriegszeit entlassen wird, weil er auspackt, sendet ein erschreckendes Signal.“ (Anm.: Zwei Jahre später wurde Stuart Syvret -- Überraschung -- verhaftet.)

Der Streit begann im vergangenen Jahr, als der britische Sozialarbeiter Simon Bellwood Leiter des Heimes Greenfields wurde, das sich um entlaufene Kinder kümmert und jene, die strafrechtlich verfolgt werden. Simon Bellwood war entsetzt, entdecken zu müssen, daß die Mitarbeiter die Kinder in einer Art von Rund-um-die-Uhr-Einzelhaft hielten und ihnen mit unbefristeter Isolation drohten, wenn sie sich schlecht benehmen.

Das Bestrafungssystem wurde „Grand Prix“ genannt und gebrauchte Ausdrücke aus dem Motorsport. Die härteste Sanktion hieß „die Box“ („the pits“), was bedeutet, daß die Kinder allein in einer Zelle gehalten wurden. Bettzeug und Matratzen wurden tagsüber entfernt, und die Kinder konnten erst nach 24 Stunden guten Benehmens wieder zu ihren Altersgenossen. (Anm.: Jahrzehnte an Sexsklaverei bleiben selbstverständlich unerwähnt.)

Simon Bellwood rangierte das System aus, wurde aber am Ende seiner Probezeit entlassen. Er klagt gegen die Entscheidung und wird vom „Verband britischer Sozialarbeiter“ („British Association of Social Workers“) unterstützt. „Er glaubt, daß er zur Zielscheibe wurde, weil er diese Bedenken äußerte“, sagte Terry Dadswell, der stellvertretende Leiter der Gewerkschaft.

Simon Bellwood äußerte seine Bedenken gegenüber Stuart Syvret, der sofort Überprüfungen der Kinderbetreuung einrichtete. „Meine erste Reaktion ist, alle zu entlassen und die Schließung [der Dienstleistungen im Bereich der psychischen Gesundheit für Kinder]“, sagte er. Stuart Syvret machte außerdem die Schutzdienste dafür verantwortlich, im Fall eines 13jährigen Knaben versagt zu haben, der in öffentlichen Toiletten Männer für Sex traf.

Nachdem Jerseys Ausschuß für Kinderschutz erklärte, wegen der Beschädigung des guten Namens der Kinderschutzarbeiter kein Vertrauen in den Minister zu haben, entließ Stuart Syvret den Vorsitzenden. Bald danach quittierte der stellvertretende Gesundheitsminister den Dienst und die öffentliche Verwaltung beschuldigte Stuart Syvret des Mobbing.

Stuart Syvret machte den Ministerrat dafür verantwortlich, der Verbesserung des Kinderschutzes im Wege zu stehen, weigerte sich aber, vom Rat zurückzutreten. In einer Email an den Rat, die der Ständeversammlung zugänglich gemacht wurde, sagte Syvret: „Es ist jetzt 2007, und ein guter Methodist zu sein oder ein paar lustige Handschläge zu machen, werden die Welt da draußen nicht davon überzeugen, daß die sicherlich vermeidbare Vergewaltigung von Kindern weniger wichtig ist als ‚eine Gruppe von Mitarbeitern in Bedrängnis zu bringen und ihre Moral und Effektivität zu untergraben‘.“

Jerseys Regierung beschuldigte ihn, durch die Unterminierung der Moral der Menschen, die in einem schwierigen und sensiblen Bereich arbeiten, die Kinder einem noch höheren Risiko auszusetzen. Stuart Syvret sagte der Ständeversammlung jedoch: „Es ist mir egal, wenn es die Mitarbeiter stört. Die Leute werden vom Steuerzahler bezahlt.“ Er fügte hinzu: „Wir haben keine Parteipolitik, was bedeutet, daß wir de facto von einer nicht registrierten Partei des Establishments regiert werden.“

Er wurde mit 35 zu 15 Stimmen verdrängt. Der Ministerpräsident, der sagte, daß Syvret Jerseys Ruf beschädigt hatte, als er zu den Medien sprach, fügte hinzu: „Wäre er nur zu mir gekommen oder zum Chef der Exekutive oder seinem eigenen Amtsleiter gegangen und hätte gesagt: ‚Ich habe ernsthafte Bedenken, die wir untersuchen müssen‘.“

Frank Walker sagte, daß die Ständeversammlung 53 unabhängige Mitglieder mit unterschiedlichen Ansichten hätte. „Zu behaupten, daß sie ein Einparteienstaat sei, ist durch Tatsachen einfach nicht untermauert. Der einzige Grund, warum wir diesen Vorschlag in die Ständeversammlung brachten, war sein inakzeptables Verhalten. Es war ein trauriger Tag.“
Hier finden Sie den Originalartikel, Minister sacked after exposing ‘child abuse’

Für Neueinsteiger, denen Worte wie Politiker, Serientäter oder Jersey nichts sagen:
Jersey: Kinder im Heim fast täglich vergewaltigt

Ältere Zöglinge wurden angestachelt, Jüngere zu vergewaltigen. Die "Bestie von Jersey", ein pädophiler Serientäter, kam als Weihnachtsmann ins Kinderheim. Im zugemauerten Keller vermutet die Polizei ein Massengrab.

Große Wellen schlägt der Fund einer verwesten Kinderleiche in dem ehemaligen Kinderheim Haut de la Garenne auf der britischen Kanalinsel Jersey. Nun wurden weitere Gebeine gefunden. Vermutlich handelt es sich dabei um den Knochen eines Kindes. Währenddessen berichten immer mehr Zeugen über brutalen sexuellen Missbrauch von Mädchen und Buben. Die Details werden dabei immer grausamer. Folter und Vergewaltigungen waren nichts Außergewöhnliches. Teilweise wurden Kinder als vermisst gemeldet und tauchten nie wieder auf. Damals hieß es, sie seien wieder nach Hause gegangen, so "Spiegel online".

Schwächste Kinder wurden vergwaltigt

Zeuge der Gräueltaten war auch der heute 59-jährige Peter Hannford. Ältere Kinder wurden von Heimmitarbeitern aufgestachelt, jüngere anzugreifen und zu vergewaltigen, berichtet er. Als Heimkind mit zwölf Jahren sei er damals fast jede Nacht Opfer solcher Gewalttaten geworden.

Auch andere Zöglinge aus Haut de la Garenne brachen jetzt ihr Schweigen. Sie erzählen davon, wie sich Angestellte betranken und systematisch die schwächsten Kinder für sexuellen Missbrauch auswählten. "Vergewaltigungen von Mädchen und Buben in allen Altersgruppen waren an der Tagesordnung", erzählt eine ehemalige Heimbewohnerin.

"Grausam, sadistisch und einfach die Hölle"

Viele der Opfer schildern unter Tränen ihre Erlebnisse. "Es war grausam, sadistisch und einfach die Hölle", erzählt die 49-jährige Pamela. Weil sie zu den Schwächsten gehörte, musste sie ständige Vergewaltigungen über sich ergehen lasse, sagt die zweifache Mutter. Eine weitere Frau berichtet, wie die Angestellten mit ihnen "Flipperball" spielten: Dabei wurden die Kinder so herumgewirbelt, dass sie gegen Möbel und Wände prallten.

Bei Fehlverhalten wurden die Zöglinge grausam bestraft. Die Mädchen und Buben wurden in eine drei mal vier Meter große Zelle gesperrt. Dort wurden sie gefoltert und oft zugleich sexuell missbraucht. Wenn die ganze Wahrheit ans Licht kommt, könnte das Königreich mit dem weitaus schlimmsten Missbrauchsskandal auf britischem Boden konfrontiert werden, schreibt die "Daily Mail".

Die Opfer kommen nicht nur aus Großbritannien, auch aus Deutschland, Australien und Thailand meldeten sich ehemalige Heimbewohner. Einige Kinder hielten den ständigen Missbrauch nicht aus. Der damals 14-Jährige Micheal Collins floh aus Haut de la Garenne. Kurz darauf wurde er erhängt an einem Baum gefunden, erzählt sein ehemaliger Heimkollege.

"Bestie von Jersey" als Weihnachtsmann

Die Kinder mussten aber noch ganz andere Grausamkeiten über sich ergehen lassen. Er war ein Pädophiler, der ganz Jersey in Panik versetzte: Edward Paisnel, die "Bestie von Jersey", überfiel und vergewaltigte Frauen und Kinder auf brutalste Weise. Auch in Haut de la Garenne dürfte er bekannt gewesen sein. Als Weihnachtsmann verkleidet hat er das Heim besucht, die Kinder mussten ihn "Onkel Ted" nennen. Später wurde er wegen Körperverletzung und Vergewaltigung zu 30 Jahren Haft verurteilt, 1994 starb er. Von den Besuchen im Kinderheim hatte Paisnels Ehefrau schon 1972 in einem Buch berichtet.

Rund 200 mutmaßliche Opfer und Zeugen von Vergewaltigungen haben sich bisher bei der Polizei gemeldet. Bis an den Beginn der 60er Jahre reichen die Missbrauchsvorwürfe zurück, so die Polizei. Diese rechnet mit einem Massengrab in dem zugemauerten Keller des ehemaligen Kinderheims.

Hinter einer Betonwand entdeckte die Polizei nicht die verweste Kinderleiche. In dem zugemauerten, fensterlosen Raum fand die Polizei auch Folterwerkzeuge. Die Kammer war auf den Plänen des Heims nicht eingezeichnet, viele der ehemaligen Bewohner können sich jedoch daran erinnern. Zur Strafe wurden sie alleine in den stockdunklen Raum eingesperrt. Im Keller seien außerdem die Schreie missbrauchter Kinder zu hören gewesen, berichten Zeugen.

Leichenspürhunde schlugen erneut an

Speziell ausgebildete Spürhunde haben erneut angeschlagen. Auch in einem zweiten Keller zeigten die Tiere Reaktionen, wie bei dem ersten Leichnfund. "Wir müssen damit rechnen, weitere sterbliche Überreste mutmaßlicher Opfer von Kindesmissbrauch zu entdecken", so Lenny Harper, stellvertretender Polizeichef von Jersey. Bevor die Suche nach weiteren Leichen fortgesetzt wird, muss die Statik des Gebäudes überprüft werden. Erst kürzlich musste die Suche wegen Einsturzgefahr unterbrochen werden.

Inzwischen meldete sich auch der Ministerpräsident der Kanalinsel, Frank Walker, zu Wort: "In Jersey gibt es kein Versteck für Kinderschänder oder jemanden, der in irgendeiner Weise damit zu tun hat." Konter kommt von Senator Stuart Syvret. Er spricht von Verschleierung bis in höchste Kreise. "Vermutlich hat jemand gedacht, dass der Umbau des Gebäudes in eine Jugendherberge eine gute Gelegenheit sei, die Knochen für immer verschwinden zu lassen", erzählte er laut "Guardian".

Missbrauchsvorwürfe in weiteren Heimen

Nachdem nun die Missbrauchsserie in Haut de la Garenne aufgeflogen ist, melden sich auch Opfer aus anderen Heimen. So berichtet eine 38-jährige Frau von sadistischen Quälereien in "Les Chennes", einer weiteren Einrichtung in Jersey. Auch die Polizei im südenglischen Hampshire erhielt neue Hinweise auf sexuelle Gewaltaten. Diese sollen sich in einem Heim in der Hafenstadt Portsmouth ereignet haben. Ermittlungen in diesem Fall wurden vor Jahren eingestellt, nachdem alle beschuldigten Angestellten gestorben waren.