Mittwoch, 13. Februar 2013

Entgeistigung ist ...

Tote Religionen sind heute Islam und Judentum

Tote Religionen sind heute Islam und Judentum. Sie bieten ihren Anhängern nichts mehr als Ritualregeln. Beten und Fasten, bestimmte Speisen zu meiden, die Vorhaut zu beschneiden, solche und viele andere Vorschriften wissen sie zu machen. Das ist aber auch alles. Dem Geiste bieten sie nichts. Sie sind durchaus entgeistigt; alles, was sie lehren und verkünden, ist Rechtsform und äußere Vorschrift. Sie sperren den Bekenner in einen Käfig von traditionellen Bräuchen und Lebensregeln ein, in dem er oft kaum Luft zum Atmen findet, doch seinem inneren Drang geben sie keine Befriedigung. Sie unterdrücken die Seele, doch sie erheben und retten sie nicht. Seit vielen Jahrhunderten hat es im Islam, seit bald zwei Jahrtausenden im Judentum keine religiöse Bewegung gegeben. Die Religion der Juden ist heute noch dieselbe wie in den Tagen, da der Talmud entstand, die des Islam noch dieselbe wie in den Tagen der arabischen Eroberungen. Ihre Literatur, ihre Schulweisheit wiederholen unaufhörlich dasselbe und dringen nicht über den Kreis der Theologen hinaus. Vergebens sucht man bei ihnen nach Männern und Bewegungen, wie sie das abendländische Christentum in jedem Jahrhundert hervorgebracht hat. Das, was sie allein zusammenhält, ist die Ablehnung des Fremden und Andersartigen, sind Tradition und Konservativismus. Nur im Haß gegen das Fremde leben sie noch, raffen sie sich immer wieder zu großen Taten auf. Alle Sektenbildung, ja alle neuen Lehren, die bei ihnen aufkommen, sind nichts als Formen dieses Kampfes gegen das Fremde, gegen das Neue, gegen die Ungläubigen. Auf das geistige Leben des Einzelnen, soweit sich unter dem dumpfen Drucke des starren Traditionalismus ein solches überhaupt entfalten kann, hat die Religion keinen Einfluß.

Ludwig von Mises (1881-1973) in Die Gemeinwirtschaft (1922)