Donnerstag, 26. Juni 2014

Schwule Gerüchte verfinstern Condis Glorie

Tony Allen-Mills über den Grund, warum Condoleezza Rice dem Volksfest zur Kandidatur für die US-Präsidentschaft fernblieb.
Gay rumours eclipse Condi’s glory moment

2. Dezember 2007 — Es hätte Condoleezza Rices größte Stunde als US-Außenministerin sein sollen, als Präsident George W. Bush zu einer Nahost-Friedenskonferenz lud, für deren Planung sie monatelang kämpfte.

Doch als Rices Foto in der vergangenen Woche auf der Titelseite von Amerikas Bestseller-Wochenzeitung NATIONAL ENQUIRER erschien, hatte er nichts mit ihren Friedensbemühungen zu tun. Sie war in einem Artikel mit der Überschrift »Wer schwul ist und wer nicht« (»Who’s Gay and Who’s Not«).

Der Artikel weckte langjährigen Washingtoner Klatsch über Rices Sexualität und löste die übliche Flut von Internetgeschwätz über ihre hohe Position in einer Republikanischen Regierung aus, die gegenüber Schwulen weithin als feindlich betrachtet wird.

Er unterstrich auch die zunehmende Reibung in der amerikanischen Politik zwischen einem hochgeistigen, Schlafzimmerklatsch verachtenden Medienestablishment und einer von Konsumenten angetriebenen Welt permanenter Internetskandale. Eine Google-Suche nach den Worten »Condoleezza« und »lesbian« ergab in der vergangenen Woche 146.000 Treffer. (Anm.: Diese dürften ab dieser Woche in Europa »möglicherweise aufgrund der Bestimmungen des europäischen Datenschutzgesetzes entfernt« werden. Aber kein Grund zur Sorge, wenn das Internet gezielt irgend etwas zum Guten verändern würde, wäre es ganz abgeschaltet.)

Während die meisten führenden US-Zeitungen mit ernsten politischen Themen wie dem Irak und der illegalen Einwanderung beschäftigt waren, weidete sich New Yorks Boulevardpresse an verblüffenden neuen Details über Rudolph Giuliani, der ehemalige Bürgermeister der Stadt, der verdächtigt wird, die Kosten für den Sicherheitsschutz verschwiegen zu haben, den er brauchte, während er mit seiner damaligen Geliebten auf geheimen Verabredungen war.

Giuliani wies die Vorwürfe, die nur Stunden vor einer Fernsehdebatte zwischen den Republikanischen Präsidentschaftskandidaten auftauchten, als »politischen Auftragsmord« und »schmutzigen Trick« ab. Obwohl es schien, daß Giuliani nichts gesetzwidriges getan hatte, lenkte der Lärm die Aufmerksamkeit erneut auf sein buntes Privatleben und könnte seine Anziehungskraft an die konservativen Wähler beschädigen.

Politische Insider wiesen auch darauf hin, daß die detaillierten Vorwürfe, einschließlich der belegten Beweise über die verwendeten Konten, die Giulianis potentiell peinliche Unkosten verbergen sollten, nicht von einer Zeitung veröffentlicht wurden, sondern von POLITICO, einer zunehmend einflußreichen Internetseite.

Die US-Massenmedien ignorierten auch eine der in der letzten Woche meistgelesenen politischen Geschichten im Internet, ein Bericht in der TIMES über eine Kampagne mit schmutzigen Tricks in South Carolina, darunter anonyme Anschuldigungen, daß Senatorin Hillary Clinton eine Affäre mit Huma Abedin hat, ein weibliches Mitglied ihres Wahlkampfteams. Demokratische Funktionäre wiesen die Vorwürfe als offensichtlichen Versuch ab, die an der Spitze laufende Präsidentschaftskandidatin anzuschmieren.

Der ehemalige Senator John Edwards, Clintons Demokratischer Rivale, spürte die Boulevardpeitsche, als der NATIONAL ENQUIRER behauptete, daß auch er eine Affäre mit einer Wahlkampfhelferin haben würde, während seine krebskranke Frau anderswo für ihn warb. Edwards prangerte die Geschichte an -- als »falsch, völlig unwahr, lächerlich« -- und sagte, daß der NATIONAL ENQUIRER keine Beweise beibringen kann, »weil sie erfunden ist«.

Der stetige Fluß von anzüglichen und oft schwach belegten Sexgeschichten bereitet den US-Zeitungsredakteuren, die durch schrumpfende Auflagen und den Internetwettbewerb niedergeknüppelt wurden, Kopfschmerzen, haften aber immer noch an Werten, die von einem Blogger letzte Woche als »verschlafen, zimperlich und hochmütig« beschrieben wurden.

Das Abdriften in Richtung Internet-Sensationsgier wurde früher in diesem Jahr als so ernst angesehen, daß das Magazin COLOMBIA JOURNALISM REVIEW, eine Bastion des US-Medienelitismus, ein Gremium von Top-Redakteuren einberief, um zu prüfen, ob die Regierung einschreiten sollte, um seriöse Zeitungen nach dem Vorbild der BBC als wertvollen öffentlichen Dienst subventionieren sollte.

Der NATIONAL ENQUIRER beschrieb seinen Artikel als »das ultimative Ratespiel unter Hollywoodfans -- zu versuchen, herauszufinden, welche namhaften Stars schwul sind«. Der Bericht weiter: »Laut dem Trubel unter den politischen Insidern ist es ein offenes Geheimnis, daß ... Rice schwul ist.« (Anm.: Trotz des englischsprachigen Zitats ist der Artikel des NATIONAL ENQUIRER wie wegzensiert.)

Der Artikel zitierte einen ungenannten »eingeweihten« Blogger mit den Worten, daß Rice während ihrer Jahre als Kanzlerin (provost) an der Stanford University in Kalifornien, »kompett als Lesbe raus war und es war kein Skandal, bloß eine Realität«. Das Blatt bezog sich auf Berichte, daß Rice im Jahr 1998 mit einer »speziellen Freundin« ein Haus kaufte, eine weitere unverheiratete Frau, eine Filmemacherin namens Randy Bean.

Es war alles andere als das erste Mal, daß sie mit lesbischen Gerüchten in Verbindung gebracht worden war. In einer kürzlich erschienenen Biografie von Rice wies Glenn Kessler, diplomatischer Korrespondent der WASHINGTON POST, darauf hin, daß Bean, beschrieben als eine »liberale Progressive«, ihre »engste Freundin« war. Es war Kessler, der bei einer Durchsuchung von Immobiliendatensätzen entdeckte, daß Rice und Bean zusammen ein Haus besaßen.

Rice äußert sich nicht über ihr Privatleben, und sie ist keine gewählte Vertreterin, so daß ihre Sexualität noch nie ein Wahlkampfthema war. (Anm.: Als Privatsache wäre Homosexualität für die Politik tabu wie das Thema Religion.) Doch die Schwulengemeinschaft ist wegen ihrer Verbindung mit konservativen Republikanern, die gegen die Schwulenehe sind, und ihrer Verbindung mit evangelischen Christen, die Homosexualität als Sünde betrachten, seit langem beunruhigt. (Anm.: In irgendeiner fernen Zukunft wird sich womöglich herausstellen, daß der Fall eher Margaret Thatcher ähnelt.)

Im letzten Jahr wurde Rice einmal als mögliche Kandidatin der Republikaner im 2008er Rennen ums Weiße Haus angesehen. Doch die meisten Kommentatoren waren sich einig, daß sie als Kandidatin zögerte, und ein Kolumnist der WASHINGTON POST kam su dem Schluß, daß sie es »bei weitem nicht einmal annähernd« war, wie es sich herausstellte.

Der Kolumnist Chris Cillizza schwieg über Rices Sexualität, und es war eine Internetleserin namens Anne Roifes, die die WASHINGTON POST daran erinnern sollte, daß hohe journalistische Standards manchmal das Thema verfehlen.

»In schwulen Kreisen wird weithin geglaubt, daß Condi eine Lesbe ist«, kommentierte Roifes. »Das könnte ein Grund sein, warum sie nicht kandidieren wird.«
Hier finden Sie den Originalartikel, Gay rumours eclipse Condi’s glory moment.