Mittwoch, 11. September 2013

Das Glossar aus: »Jüdische Anekdoten und Sprichwörter« von Salcia Landmann

Und als Zugabe ein Witz aus: »Neues von Salcia Landmann«
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Die Abkürzungen:

aram. = aramäisch. Aramäisch ist eine alte semitische Sprache, die in der Spätantike fast im gesamten Vorderen Orient gesprochen wurde und zur Zeit Jesu das klassische Hebräisch im Lande Israel bereits verdrängt hatte. Jesus hat aramäisch gepredigt. Große Teile des nachbiblischen Schrifttums der Juden sind ebenfalls aramäisch abgefaßt. Im Jiddischen finden sich viele aramäische Ausdrücke. Da viel Aramäisches in der Spätantike auch ins hebräische Schrifttum eingeflossen ist, kann man manche Wörter -- genau wie im Deutschen z. B. Genie oder Ingenieur -- nach Belieben als Fremdwörter des Hebräischen oder als aramäische Ausdrücke kennzeichnen.

d. = deutsch

h. = hebräisch

j. und jid. = jiddisch

mhd. = mittelhochdeutsch

p. = polnisch

r. = russisch

ukr. = ukrainisch

Glossar

apikójress, pI. apikórssim (h. apikoráss = Epikuräer), Ketzer, Freidenker.

as (d.), als, daß, wenn.

awáde (d. a = ein + h. wadáj = sicher), sicher, gewiß.

balebóss (h. ba'al-habajit), wörtl. Hausherr. Familienvater.

bess-méresch (h. bejt-hamidrásch), wörtl. Lehrhaus. Im J. immer zugleich Bethaus. Im Bess-médresch beteten im allgemeinen nur die Männer, die dort zugleich die religiöse Bibliothek benützten, um vor oder nach dem Gebet ein wenig zu studieren. Da es in den kleinen Städtchen des Ostens keine Cafés gab und das Wirtshaus nur aus einem Schnapsausschank für die Bauern bestand, war das Bess-médresch zugleich der Treffpunkt für die Männer, wo sie plauderten, bei kleinen Festanlässen einen gemeinsamen Imbiß einnahmen, und wo Fremde oder Studenten mitunter auch auf den Bänken nächtigten.

bócher, pI. bócherim (h. bachúr, bachurím), Jüngling. Im J. oft in der Zusammensetzung ›jeschiwe-bócher‹, Student an der jeschíwe (s. d.). Bocher kann auch = Junggeselle sein, ganz unabhängig vom Alter. Da Heirat bei den Juden ein religiöses Gebot ist, brachte man dem Junggesellen eine gewisse Verachtung entgegen. Und alte Jungfern gab es im traditionsgebundenen Osten nicht: die Mädchen wurden immer verheiratet.

chapn (p. chapać), packen, ergreifen.

chássene (h. chatuná), Hochzeit, Heirat. ›chássene machn‹ = verheiraten.

chóchem, pI. chachómim (h. chachám, chachamím), klug, der Kluge, der Weise.

chóchme (h. chochmá), Weisheit.

chóssid, pI. chassídim oder chssídim (h. chassíd, chassidím), der Fromme. Als ›Chassidim‹ bezeichneten sich auch mystische Sektierer sowohl in Deutschland im Mittelalter, wie auch seit dem 17. Jahrhundert im slawischen Osten. Der Chassidismus des Ostens zeichnet sich andern jüdisch-mystischen Strömungen gegenüber durch seine naive Volkstümlichkeit und Wundergläubigkeit aus. Nur der Chassidismus kennt und anerkennt einen Rabbi, der nicht in erster Linie ein großer Schriftgelehrter, sondern eher ein Tröster der Unglücklichen und ein Heiliger ist.

chóssen oder chóssn, pI. chassánim (h. chatán, chataním), Bräutigam. cf. chássene.

éfscher (h. efschár), vielleicht.

éjder (d.), ehe, bevor.

émess (h. emét), Wahrheit, im J. auch adjektivisch: wahr.

épess (d. = etwas): ›farwóss épess‹ = ›warum nur?‹ ›épess a rébe‹ = ›so etwas wie ein Rabbi‹.

gábe (h. gabáj), früher Steuereinnehmer und Verwalter der Armenkasse der Kultusgemeinde. Heute nur noch ehrenamtlicher Synagogenvorstand. Bei den Chassidim ist der Gabe auch Manager und Sekretär des Wunderrabbi.

gan-éjdn (h. gan-éden), Garten Eden, Paradies.

gánew, pI. ganówim (h. ganáw, ganawím), Dieb, Gauner, ›Ganef‹. Davon genéjwe (h. g'néjwa), Diebstahl.

gehénem (h. gej-hinóm), Tal Hinnom, Hölle.

gemóre (h. g'mará v. gamór = vollenden). Das Wort wird von manchen gleichbedeutend mit Talmud (s. d.) gebraucht und von andern nur für den spätern Teil des Talmud, der in die (frühere) Mischna und die (spätere) Gemara zerfällt.

jeschíwe (h. j'schiwá), wörtl. Sitz. Im J. immer nur = Talmudhochschule. Es gab -- und gibt auch heute -- an der Jeschiwa keinen eigentlichen Abschluß. Man kann beliebig lang weiterstudieren. Künftige Rabbiner besuchten meist eine Jeschiwa, doch bekamen sie ihre Approbation nicht durch irgendeine Art von Abschlußprüfung, sondern durch einen andern, bereits approbierten Rabbiner, der die Kenntnisse prüfte, ohne zu fragen, wie und wo sie erworben worden waren. Da die Studenten an der Jeschiwa oft sehr arm waren, aßen sie bei den Bürgern der betreffenden Stadt »teg« = Tage, d. h. sie waren an bestimmten festen Wochentagen während des ganzen Semesters zu den Mahlzeiten eingeladen. Der Jeschiwe-Bocher übernachtete oft auf den Bänken der Jeschiwe und mußte oft regelrecht hungern.

Jissró'ejl (h. jissra'éjl), sowohl Land wie auch Volk Israel.

kále, pI. káless (h. kalá, kaIót), Braut, auch Schwiegertochter.

kále-mejdl = präsumptive Braut; Mädchen, das als Braut in Frage kommt und auch als solche vorgeschlagen wird.

kásche (h. kuschiá), wörtl. Schwierigkeit. Im J. immer = Frage, und zwar meist eine schwierige Frage in rituellem Zusammenhang.

kehíle oder kíle (h. k'hilá), Gemeinde. Gemeint ist immer nur die jüdische Kultusgemeinde.

kejn (d.), 1. = kein, 2. nach (Richtung), vermutlich von d. ›gegen‹, ev. von h. ›kan‹ = hier.

klésmer, pI. klesmórim (h. klej-sémer = Musikinstrumente), J. nur = Musikant. Das Wort ist ähnlich gebildet wie im D. ›Schildwache‹.

klern (d. = klären), durch Nachdenken klären. Gleichbedeutend mit ›trachtn‹ (d. = trachten).

kóscher (h. kaschéjr), wörtI. rein, tauglich. Rituell erlaubt. Übertragen: korrekt.

lebn, 1. neben, 2. Leben. Oft im Zusammenhang mit Namen: Jankl-lebn. Dieses angehängte Leben bedeutet entweder den Wunsch, daß der Betreffende lange leben möge, oder vielleicht auch, daß er dem Sprecher so teuer ist wie das eigene Leben.

léjnen oder léjenen (v. altfranz.lejre), lesen.

mágid (h. magíd = der Sprecher), Wanderprediger. Meist ein eher ungebildeter Mann, der volkstümliche Predigten vor allem für die Frauen hielt.

mázze, pI. mázzess (h. mazzá, mazzót), Brotfladen aus ungesäuertem Teig. Die Juden feiern ihr Osterfest (Pessach) zur Erinnerung an den Exodus aus Ägypten. Damals reichte vor der Flucht die Zeit nicht aus, das Brot für den Proviant anzusäuern. Darum essen die Juden noch heute zur Osterzeit 8 Tage lang an Stelle von Brot ungesäuerte Fladen: Mazzes.

melámed, pI. melámdim (h. melaméjd, m'lamdím), Lehrer. Im J. immer nur der Elementarlehrer für Hebräisch, und zwar für Knaben. Der Unterricht begann im 5., manchmal schon im 3. Lebensjahr, und Schrift und Sprache wurden direkt aus dem hebräischen Bibeltext beigebracht. Der Melamed wurde schlecht besoldet und seine Bildung war beschränkt.

meschúge (h. m'schugá), verrückt, ›meschugge‹.

mlúche (h. mluchá), Königsherrschaft, Regierung.

nébich, ein mitleidig-herablassender Ausruf, über dessen Etymologie die Philologen sich nicht einigen können. Vorgeschlagen werden unter anderm deutsche (»nie bei Euch!«), slawische (p. nje boże = bei Gott nicht!) und hebräische (nawúch = gedrückt) Ableitungen.

nógid, pI. negídim (h. nagíd, n'gidím), reich, der Reiche.

oremán (d.), armer Mann.

plúzlung, plúzem, plötzlich.

pónem, pI. pénemer (h. paním = Gesicht, Oberfläche. Im H. ist das Wort bereits eine Pluralbildung, an die aber im J. noch einmal eine d. Pluralendung = er angehängt werden kann), Gesicht. »a ponem« = es ist offenbar, es scheint.

póriz, pI. prízim (h. paríz, parizím = Wegelagerer, Gewalttäter), j. nur = Gutsherr, Graf, vornehmer Herr. Die Herleitung des Wortes ist soziologisch interessant.

Rabbi, reb, row etc.: alle diese Wörter kommen von h. raw = viel, mächtig; ein vornehmer Herr. Row (h. raw), Rabbiner. rébbe (h. rabbí), ›mein Herr‹, mein Rabbi. Reb: immer nur im Zusammenhang mit einem Namen, z. B. ›reb Jankl‹. Hier ist die Bedeutung von ›reb‹ auf ›Herr‹ zusammengeschrumpft, und zwar bis zu einem solchen Grade, daß man sagen kann: ›der row reb Jankl‹ = der Rabbiner Herr JankI. Rabojssáj (h. rabotáj), meine Herren! -- Die polnische Form ›rábin‹ wird im J. gleichbedeutend mit rébe (Rabbi) benützt, dagegen bezeichnet im J. die aus dem D. übernommene Form »rabíner« einen Reformrabbiner, dem der Witz neben mangelnder Frömmigkeit meist auch ungenügende Kenntnisse vorwirft. -- Der chassidische Wunderrabbi wird in der direkten Ansprache ›rébe‹ genannt, spricht man dagegen von ihm, dann nennt man ihn ebenso oft statt ›der rébe‹: ›der zádik‹ (s. d.). Kinder -- nicht aber erwachsene Männer -- nennen auch den Melamed ›Rébe‹.

schábess (h. schabát), Sabbat. Der Sabbat beginnt, wie die meisten Feiertage der Juden, am Vorabend. Am Sabbat ist fast nur geistige Arbeit erlaubt. Körperliche Anstrengung muß auf ein Minimum reduziert werden. Die Vorschriften sind sehr genau. Unter anderm ist auch Schreiben und Rauchen verboten, letzteres, weil es das Entfachen einer Flamme voraussetzt, und Anzünden und Löschen von Feuer ist am Sabbat untersagt. Man läßt das gewöhnlich von Nichtjuden besorgen, und zwar auf Grund einer Dauerabmachung. Denn es ist auch verboten, am Sabbat den Befehl zu einer verbotenen Arbeit zu erteilen, und sei es auch an einen Nichtjuden. Die Dauerabmachung ist ein Trick, im Grunde eine Gebotsumgehung. -- Dagegen ist jede körperliche Hantierung auch am höchsten Feiertage erlaubt, wenn es gilt, Menschen aus Lebensgefahr zu retten. (Anm.: Siehe Ultraorthodoxe Juden, Nichtjuden und das menschliche Leben.)

schádchen, pI. schadchónim (h. schadchán, schadchaním), Heiratsvermittler. Da es früher in den gutbürgerlichen Kreisen der Ostjuden keine freie Ehewahl, sondern nur die vermittelte Ehe zwischen Partnern aus passenden Familien gab, spielte der Berufsschadchen eine große Rolle.

schámess (h. schamásch), Diener. Im J. immer = Synagogendiener.

schíker (h. schikór), betrunken, ›schiker‹.

schíksse, dazu die männliche Form: schégez (v. h. schékez = Abscheu, Greuel), grober Ausdruck für gewöhnliches nichtjüdisches Mädchen, auch Dienstmagd oder Dirne.

schóchn, pI. schchéjnim (h. schachéjn, schchejním), Nachbar.

schójte (h. schoté), Dummkopf, ›Schaute‹.

schólem aléjchem (h.schalóm alejchém). Friede mit Euch! Üblicher Gruß, auch im Arabischen (salem alejkum).

schul (d. Schule). Gemeint ist im J. nie die eigentliche Schule, sondern die Synagoge, wobei aber zu beachten ist, daß die männlichen Juden in ihren Beträumen immer auch religiöse Schriften zu studieren pflegten. ›Religiöse Schriften studieren‹ heißt im J. = ›lernen‹.

ssach (h.), Summe, Menge, im J. auch adjektivisch: a ssach viel.

ssójcher, pI. ssóchrim (h. ssochéjr, ssochrím), Kaufmann.

tajtsch, wörtl. »deutsch«, Sinn, Bedeutung. farta&jacute;tschn = erklären, deuten. -- Die j. Sprache wurde von den Juden anfangs mit der deutschen Sprache in eins gesetzt. Stieß man in den hebräisch und aramäisch abgefaßten religiösen Schriften auf eine schwierige Stelle, dann diskutierte man sie in j. Sprache. Tajtschn oder farta&jacute;tschn bedeutet daher nicht nur durch Übersetzung, sondern vor allem durch Deutung verständlich machen.

táke (p. tako), so, also, wirklich, dennoch etc.

tálmud (h. talmúd = Lehre), nachbiblische Lehren, die zunächst mündlich überliefert und im Jahre 500 n. Chr. endgültig kodifiziert wurden. Der Talmud enthält Kommentare zur Bibel, Angleichung von Bibelgesetzen an die Exilumstände, juristische und religiöse Debatten, Erbauliches, Sagen.

teg essn, »Tage essen«. Ein großer Teil der Talmudstudenten, der Jeschiwe-bocherim, war sehr arm. Stipendien gab es keine, dafür aber pflegten die Bürger der betreffenden Stadt sich zu verpflichten, einen oder einige Studenten an bestimmten Wochentagen das ganze Semester hindurch bei sich zu verköstigen. Der Student pflegte dann bei den betreffenden Hausherren »teg essn«, wie der feste Ausdruck hierfür hieß.

to (p.), da, das, also, nun.

tómer (h. tomár = du wirst sagen), häufig gebrauchter Ausdruck in der talmudischen Debatte, der zunächst nur den Einwand des Gegners als mögliches Gegenargument vorwegnimmt. Später im J. nur noch = vielleicht.

táte (p. tata = Papa), Vater. Táte-máme(Vater-Mutter), Eltern.

tschólent (altfranz. chauld = warm). Da die Juden am Sabbat kein Feuer anfachen dürfen, mußten sie am Sabbat entweder kalt essen -- was man aber an einem Festtag nicht gern tut -- oder Speisen erfinden, die in einem schon Freitag angeheizten Ofen bei sachter Wärme bis Sabbat Mittag garschmoren. Schon der Talmud kennt Speisen dieser Art und bezeichnet sie aramäisch als ›chamin‹ (h. cham = warm).

wós-sche oder wósche (d. was + p. że = also, denn), was also.

zádik, pI. zadíkim (h. zadík, zadikím), 1. der Gerechte, Heilige, 2. feste Benennung für den chassidischen Wunderrabbi.

zi (p. czy), ob.

zóre, pI. zóress (h. zará, zarót), Sorge, Kummer.