Dienstag, 27. November 2012

Holocaust-Witze in Deutschland?

Anna Georgiev über Populärkultur-Superstar Oliver Polak.
Zu früh?

Kann sein, doch der jüdische Komiker und Filmemacher Oliver Polak versucht trotzdem, es den Deutschen möglich zu machen, über die Juden zu lachen.



Berliner, aufgepaßt: Die Ghostbusters sind auf einem Amoklauf in Ihrer Stadt. Nein, dies ist keine verspätete Fortsetzung des 80er-Jahre-Films; es ist eine Parodie des deutsch-jüdischen Kabarettisten Oliver Polak.

Dieses Mal kämpfen die Ghostbusters nicht gegen Geister, sondern verwandeln Bundesbürger in Juden. Ein Schuß aus einer ihrer Laserkanonen und Polizisten und Kebabbudenbesitzer sind plötzlich mit seitlichen Locken geschmückt. Im Hintergrund summt Polak, leicht übergewichtig im engen Lederoutfit: „Warum ist es so kompliziert? Kommt, laßt uns alle Juden sein!“

Der Film ist typisch Polak, radikal ironisch und übertrieben. Polak, der einzige berühmte jüdische Kabarettist in Deutschland, machte in seiner Karriere praktisch über jeden Aspekt seiner Gemeinde Witze, von jüdischen Komplexen über deutsche Geschichte bis zum Sex ohne Vorhaut.

Obwohl das Publikum in seine Shows strömt, scheinen sie sich nie ganz sicher zu sein, wann sie lachen dürfen. Aber kann man diese Art von Humor hier abziehen, wenn Witze über Juden in Deutschland noch immer ein Tabu sind?

Polak, 35, in Trainingsanzug und Badeschlappen, seine Markenzeichen, lächelt. „Natürlich“, sagt er HAARETZ. „Ich darf das, ich bin Jude!

Doch er räumt ein, daß es nicht immer einfach ist.

„Manchmal fühle ich mich wie ein toter Panda“, sagt er und erinnert an seine Lieblings-Metapher. „Die Leute haben seltsame Vorstellungen über mich, die nicht widergeben, wer ich bin.“

Er betont, daß er Teil einer Generation von Juden ist, die die Opferrolle leid ist und bereit, sich neu zu definieren.

„Alles, was ich tun möchte, ist großes und intelligentes Kabarett, aber es ist manchmal schwer, diese Mißverständnisse loszuwerden und sich auf die wichtigen Fragen zu konzentrieren“, sagt Polak.

Ich sage ihm, daß ihn einige der Zuschauer bei seiner Show nicht zu ernst zu nehmen scheinen.

„Er ist nur ein bekiffter Kerl, der seine Beherrschung verloren hat“, sagte jemand. Die Worte „Provo“, „Clown“ und „Großmaul“ flogen auch herum.

Polak wirkt unbeeindruckt.

„Toll, dann habe ich einen guten Job gemacht“, sagt er lächelnd. „Aber sie lagen falsch: Ich war nicht bekifft.“

Deutscher Humor, so argumentiert Polak, arbeitet in der Regel innerhalb von klar definierten sozialen Grenzen. Sein Ziel ist es, das Publikum aus dieser Komfortzone herauszunehmen unnd sie in Situationen zu bringen, in denen sie unsicher sind, wo die Grenze zwischen Recht und Unrecht ist.

„Der Holocaust wäre nicht geschehen, wenn es in Deutschland in den 1930er Jahren Türken gegeben hätte“, erklärt er in Bezug auf die vielen türkischen Einwanderer. „Zumindest nicht den Juden.“

Für Polak bedeutet höflicher Applaus, etwas falsch gemacht zu haben. Als ihm nach einer Show der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte, er ist ein großer Fan, sagt Polak, daß er schloß, daß er gefloppt haben mußte.

Polak hat für den Großteil seines Lebens die konkurrierenden Ziele verfolgt, die Political Correctness zu erschüttern und die Liebe und Akzeptanz der Massen zu finden. Er wuchs in der einzigen jüdischen Familie in einer kleinen Stadt namens Papenburg im Nordwesten von Deutschland auf. Sein Vater ist ein deutscher Jude, der nach dem Krieg in seine Heimatstadt zurückkehrte, und seine Mutter ist eine russische Einwanderin.

Um in die Synagoge zu gehen oder andere Juden zu treffen, mußten sie in eine große Stadt in der Nähe fahren. Obwohl er die jüdische Tradition immer noch liebt, veranstaltet er nicht viele Hanukkah-Partys.

„Die Menschen in Deutschland haben kaum Verständnis für das jüdische Leben und die jüdischen Neurosen“, sagt er.

Dies schränkt ein, was er auf der Bühne sagen kann, wenn auch nur, weil Witze über gefilte Fisch wahrscheinlich über die Köpfe der meisten Zuschauer hinweg gehen, sagt er. Vielleicht, so schlage ich vor, sollte er seine hochnotpeinliche Show nach Israel bringen, wo jeder jüdischen Humor versteht. Ich verspreche ihm, daß niemand höflich applaudieren wird.
Hier finden Sie den Originalartikel, Holocaust jokes in Germany: too soon?

Ein paar Monate vorher, unter den etwa eine Million Holocaust-Überlebenden ... die genaue Zahl finden Sie hier ...
Israel kürt bei Miss-Wahl schönste Holocaust-Überlebende

Viele halten die Idee für makaber: Eine Miss-Wahl unter Frauen, die den Holocaust überstanden haben. Der Organisator will mit dem Schönheitswettbewerb auf Holocaust-Überlebende in Israel aufmerksam machen, die oft in Einsamkeit und Armut ihr Dasein fristen. Ein Beigeschmack bleibt aber.

Tausende Holocaustüberlebende darben in Israel unter der Armutsgrenze und erhalten nicht die notwendige Hilfe. Ein Schönheitswettbewerb zwischen Frauen, die die Schoa überstanden, soll Abhilfe schaffen. Manche kritisieren den Schritt, doch die 78 Jahre alte Gewinnerin ist froh: „Wenigstens spricht man jetzt über uns.“

14 Damen in der Endrunde

Der Schönheitswettbewerb, der Donnerstagabend in einem Einkaufszentrum in Haifa abgehalten wurde, war fast wie jeder andere: Er wurde von einer Kosmetikfirma gesponsert, die 14 Damen, die es in die Endrunde geschafft hatten, stolzierten geschminkt und selbstbewusst lächelnd in ihren schwarzen Abendkleidern auf dem roten Teppich vor einem aufgeregt klatschenden Publikum hin und her. Eine Krone stand bereit, um von Heli Ben David, Israels Schönheitskönigin des Jahres 1979, der Siegerin übergeben zu werden.

Dennoch war spätestens in dem Augenblick klar, in dem der Conférencier seine Fragen stellte, dass es sich um einen außergewöhnlichen Wettbewerb handelte: Die Damen auf der Bühne waren alle zwischen 74 und 97 Jahre alt, im Publikum saßen ihre Kinder, Enkel und sogar Großenkel. Und sie alle hatten die Schrecken der Schoa, des Völkermordes der Nazis an sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg, überlebt.

Zwischen den Witzen, dem Pomp und dem warmen Lächeln überfiel das Publikum immer wieder eine eisige Stille, wenn die Frauen auf der Bühne von ihrem Schicksal erzählten: Die letzten Augenblicke, in denen sie Familienangehörige gesehen hatten, über den Hunger, das Exil in Sibirien, den Kampf an Seiten der Partisanen oder die schmerzhafte Trennung von ihren Müttern.

Viele dachten, es handele sich um einen schlechten Witz

Als die Ankündigungen für den Wettbewerb um Miss Holocaust im Internet veröffentlicht wurden, dachten viele anfangs, es handle sich um einen schlechten Witz. „Warum lässt man sie nicht einfach ihre Geschichte erzählen, ohne auf einen billigen Gimmick zurückzugreifen?“, kommentierte ein Artikel. „Was ist der Nächste Schritt: eine Big-Brother-Show in Auschwitz ?“, fragte ein anderer. Sprecher von Holocaustverbänden nannten die Idee „makaber“ oder „fürchterlich“.

Schimon Sabag, der Veranstalter des Wettbewerbs, wies die Kritik zurück: „Es geht hier nicht nur um Schönheit, sondern vor allem um den Weg, den diese Frauen zurücklegen mussten.“ Dem Publikum solle klargemacht werden, dass „auch Holocaustüberlebende trotz allem Frauen sind, die sich selbst feiern, Spaß haben und gut leben wollen.“

Viele Überlebende leiden unter Vereinsamung

Sabag wollte mit seiner Aktion darauf aufmerksam machen, dass genau das vielen, die der Schoa entkamen, vorenthalten bleibt. Rund 198.000 Holocaust-Überlebende leben noch in Israel. Laut einer Studie leidet die Hälfte dieser Menschen unter Vereinsamung.

Ein Viertel ist bei der Lebensmittelversorgung auf Spenden angewiesen, 12.000 frieren im milden israelischen Winter, weil sie ihre Stromrechnung nicht begleichen können. Etwa 60 Prozent benötigt Hilfe, um alltäglichen Erledigungen nachzugehen. Doch das ist etwas, über das man in Israel nur selten spricht.
Ich habe auch noch einen (und ein Danke an Julian Assange, der aus Henryk M. Broders Schmutzwäsche den T-Shirt-Entwurf für eine Werbekampagne enthüllte).